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mitgeteilt von RA Boris Hoeller ( HOELLER Rechtsanwälte )

3 O 66/98 Verkündet am 24.9.1998

Z.
Justizsekretärin (b)
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle

Landgericht Potsdam

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

  • des Verbraucherschutzvereins e.V., Berlin

  • Kläger


    Bevollmächtigter:...
g e g e n
  • ...
  • Beklagte





hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam

auf die mündliche Verhandlung vom 3.9.1998

durch

die Vorsitzende Richterin am Landgericht S,

den Richter am Landgericht v.d.O-S und

die Richterin L.



für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die vorläufige Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 1.800,- DM abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann auch durch eine Bankbürgschaft erbracht werden.

T a t b e s t a n d


Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein. Die Beklagte verkauft Mobilfunkdienstleistungen mit der Free & Easy Card. Hierzu gibt sie Prospekte aus, in denen Informationen und Regelungen zur Free & Easy Card enthalten sind. Unter anderem enthalten die Prospekte folgende Klauseln:
"Ein Restguthaben auf ihrer Free & Easy Card können Sie ganz einfach durch erneutes Aufladen des Zeitfensters in das nächste Guthabenzeitfenster "mitnehmen". Erfolgt kein erneutes Aufladen innerhalb des Zeitfensters, verfällt das Restguthaben."
Free & Easy Card Tarif: Guthabenzeitfenster für Aufladungen:

"Startguthaben DM 50.00 ist gültig für 90 Tage

Guthaben DM 100.00 ist güItig für 180 Tage

Guthaben DM 200.00 ist gültig für 360 Tage

Guthaben DM 300.00 ist gültig für 540 Tage

Guthaben DM 400.00 ist gültig für 720 Tage"

Wegen des weiteren Inhaltes des Prospektes wird auf Bl.12, 13 d.A. verwiesen.

Beim Erwerb der Free & Easy Card füllt der Kunde einen Kundenauftrag aus. Darin heißt es auf der Vorderseite unter anderem: "Ich versichere die Richtigkeit der hier gemachten Angabe und bestätige den Auftrag unter Anerkennung der umseitig abgedruckten "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" sowie der z. Zt. gültigen Tarifbroschüre" Auf der Rückseite des Kundenauftrages sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgedruckt. Diese enthalten Angaben über das Guthabenkonto, in denen die Verfallzeiträume angesprochen werden. Wegen des weiteren lnhaltes wird auf Bl. 41 der Akten verwiesen.

Der Kläger meint, die oben genannte Klausel in den Prospekten der Beklagten würde gegen § 9 AGBG verstoßen.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an ihren Geschäftsführen, zu unterlassen, nachfolgende oder dieser inhaltsgleiche Bestimmungen in künftig abzuschließende Verträge über Mobilfunkdienstleistungen mit der Free & Easy Card durch Allgemeine Geschäftsbedingungen einzubeziehen sowie sich auf diese Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger nach dem 1.4.1997 geschlossener Verträge zu berufen, soweit es sich nicht um Verträge mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen oder einem Kaufmann handelt, wenn der ertrag zum Betrieb eines Handelsgewerbes gehört:
"Erfolgt kein erneutes Aufladen innerhalb des Zeitfensters, verfällt das Restguthaben"

im Zusammenhang mit nachstehendem Zeitfenster:

Startguthaben DM 50.00 ist gültig für 90 Tage

Guthaben DM 100.00 ist gültig für 180 Tage

Guthaben DM 200.00 ist gültig für 360 Tage

Guthaben DM 300.00 ist gültig für 540 Tage

Guthaben DM 400.00 ist gültig für 720 Tage.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, es handele sich hier um eine spezifische Produktbeschreibung.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen des Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich unabhängig von dem Streitwert aus § 14 AGBG, da der Kläger einen Unterlassungsanspruch nach §§ 9, 13 AGBG geltend macht.

Der Kläger ist gem. § 13 Abs. 2 Ziff. 1 AGBG klagebefugt. Der Kläger hat es sich gem. seiner Satzung zur Aufgabe gemacht, unlauteren Wettbewerb zu unterbinden und gegen unzulässige Allgemeine Geschäftsbedingungen vorzugehen, die gegenüber Nichtkaufleuten verwendet werden.

Die Klage ist unbegründet. Ein Verstoß gegen § 9 AGBG kann nicht festgestellt werden.

Bei der angegriffenen Klausel handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 1 AGBG. Es handelt sich um eine vorformulierte Vertragsbedingung, die die Beklagte in ihre Verträge über den Kauf der Free & Easy Card mit einbezieht. Der Inhalt des für den Vertrag maßgeblichen Kundenauftrag nimmt auch Bezug auf den Text in den Prospekten und macht darin enthaltene Regelungen zum Vertragsgegenstand.


Die Bestimmung einer Verfallszeit kann nicht gem § 9 AGBG für unwirksam erklärt werden, da es sich bei dieser Regelung um ein Leistungsbeschreibung handelt, deren Inhaltskontrolle gem. § 9 AGBG ausgeschlossen ist, § 8 AGBG (Palandt-Heinrichs 57. Aufl. § 8 AGBG, Rn.1).
Bei der Festsetzung einer Verfallszeit für das Guthabenfenster der Free & Easy Card handelt es sich um eine bloße Leistungsbeschreibung. Dem Kunden wird mit dem Kauf der Free & Easy Card neben der Möglichkeit, eine bestimmte Anzahl von Einheiten zu vertelefonieren, die Anschlußkapazität der Beklagten eröffnet. Diese Anschlußkapazität stellt eine eigene geldwerte Leistung dar. Die Gegenleistung die der Kunde für den Kauf einer Free & Easy Card erhält ist nicht "sichtbar" und muß erst durch eine Leistungsbeschreibung bestimmt werden. Diese geschieht in diesem Fall wirksam durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Mit der Free & Easy Card ist nicht von vornherein eine bestimmten Anzahl zu verbrauchender Telefoneinheiten verbunden. Das Leistungsangebot der Beklagten bestimmt sich vielmehr in der Weise, daß der Kunde während eines bestimmten Zeitraumes die Anschlußkapazität der Bekagten aktiv und passiv nutzen und während dieses Zeitraumes eine bestimmte Mindesteinheitenzahl verbrauchen kann. Offen bleiben kann, ob in der zeitlichen Beschränkung etwa eine Grundgebühr versteckt ist. Dieser Aspekt würde jedenfalls einen Teil der Gestaltung des Preis-, Leistungsverhältnisses darstellen, der nicht gem. § 9 AGBG unwirksam sein kann. Hierbei handelte es sich eher um eine wettbewerbsrechtliche Frage, als um eine nach § 13 AGBG, die jedoch nicht Streitgegenstand geworden ist.


Die streitige Klausel ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam. Verstöße gegen das Transparenzgebot führen auch bei Klauseln, die nur das Preis- Leistungsverhältnis beschreiben, gem. § 9 AGBG zur Unwirksamkeit.
Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot besteht nicht. Die Beklagte beschreibt die Verfallszeiten sowohl in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Rückseite des Kundenauftrages als auch in ihren darin in Bezug genommenen Prospekten. Die zeitliche Bestimmung in den Prospekten ist übersichtlich und in Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen zu den weiteren Tarifbedingungen dargestellt. Der Kunde wird auch bei oberflächlicher Betrachtung des Prospektes nicht im Unklaren über die Gültigkeitsdauer gelassen.


Im übrigen werden die Kunden nicht bei Verwendung der Allgemeinen Geschäftsbedingung entgegen den Geboten von Treu und Glauben benachteiligt, vgl. § 9 AGBG.
Die Dauer der Verfallszeiten steht in einem nicht unangemessenen Verhältnis zum vom Kunden geleisteten Gegenwert und verlängern sich proportional, wenn der Kunde ein höheres Guthaben erwirbt. Des weiteren behalten die Kunden auch nach Ablauf der Gültigkeitsdauer die Freischaltung zur passiven Nutzung und können in dieser Zeit noch telefonisch über die Anschlußkapazitäten der Beklagten erreicht werden.
Diese Nutzungsmöglichkeit der Free & Easv Card für die Dauer von z.B. 90 Tagen zum Preis von 50,- DM entspricht hinsichtlich der Kosten, denen die auch vergleichbare Mobilfunkanbieter für entsprechende Leistungen, gegebenenfalls unter Zugrundelegung eines anderen Tarifsystems von Grundgebühr und Einzelpreis, berechnen und sind somit marktüblich. Gegenteiliges hat der Kläger jedenfalls nicht substantiiert dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.


Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 10.000,- DM festgesetzt.

Unterschrift(en)