6 U 202/99 26 0 42/99 (LG Köln) |
Verkündet am 23.08.2000
als Urkundsbeamter |
OBERLANDESGERICHT KÖLN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
Klägerin,
Beklagte
- Die Berufung der Beklagten gegen das am 27.10.1999 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln -26 0 72/99- wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung des Unterlassungsausspruchs gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 50.000,00 DM, diejenige des Kostenausspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in jeweils derselben Höhe leistet.
- Die mit diesem Urteil für die Beklagte verbundene Beschwer beträgt 50.000,00 DM.
- Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Klägerin ist ein eingetragener Verein mit der satzungsgemäßen Aufgabe, Verbraucherinteressen durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen.
Die Beklagte, ein Unternehmen im Bereich der Telekommunikation, vertreibt u. a. Telefonkarten zur Nutzung in öffentlichen Fernsprecheinrichtungen, deren Betreiberin sie ist. Diese Telefonkarten sind zum Preise von 12,00 DM und 50,00 DM käuflich zu erwerben, wobei der Benutzer die Möglichkeit erhält, an öffentlichen Fernsprechern der Beklagten Telefonate in entsprechendem Gegenwert zu führen. Während die vorbeschriebenen Telefonkarten zunächst eine unbegrenzte Gültigkeitsdauer aufwiesen, ist die Beklagte seit Oktober 1998 (Bl. 104 d.A.) dazu übergegangen, auf den Karten - wie aus dem zur Akte gereichten Originalexemplar (Hülle Bl. 58 dA. = Anlage K 4) beispielhaft ersichtlich - den Zusatz "Gültig bis ..." anzubringen. Diese Befristung der Gültigkeitsdauer, die einen Zeitraum von 3 Jahren und 3 Monaten ab Herstellung der Karte umfasst, hat zur Folge, dass die Telefonkarten nach Fristablauf nicht mehr zum Zwecke des Telefonierens verwendbar sind und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verbrauchte Guthabenbeträge ersatzlos verfallen.
Die klagende Verbraucherzentrale, die in der vorbezeichneten Beschränkung der Gültigkeit der Telefonkarten eine nach Maßgabe von § 9 AGB-Gesetz unwirksame Regelung sieht, hat die Beklagte mit vorprozessualem Schreiben vom 05.03.1999 abgemahnt und zur Abgabe einer vorbereiteten Unterlassungsverpflichtungserklärung aufgefordert. Nachdem die Beklagte die Abgabe einer solchen Erklärung abgelehnt hat, nimmt die Klägerin sie nunmehr im vorliegenden Verfahren klageweise auf Unterlassung in Anspruch.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die von der Beklagten eingeführte Befristung der Telefonkarten, bei denen es sich um Inhaberschuldverschreibungen i.S. von § 793 BGB handele, führe zu einer unangemessenen Benachteiligung der Kunden. Letztere würden mit dem Erwerb der Telefonkarte in Vorleistung treten und liefen dabei Gefahr, keine Gegenleistung zu erhalten, wenn die Karte bei Ablauf der Gültigkeitsdauer noch ein Guthaben aufweise, das aber weder abtelefoniert werden könne, noch erstattet oder anderweitig gutgebracht werde. Diesen, auf Seiten der Kunden eintretenden Nachteilen stünden aus von der Klägerin im einzelnen dargestellten Gründen keine anerkennenswerten Belange der Beklagten gegenüber.
Die Klägerin hat beantragt,
der Beklagten bei Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM (ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten) oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu untersagen, die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Verträgen über Telefonkarten zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen, ausgenommen Verträge mit einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgeschäfts, mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder mit einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen: Gültig bis ... (Datum)
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die in Rede stehende Beschränkung der Gültigkeit der Telefonkarten, so hat die Beklagte vertreten, sei nicht nach Maßgabe von § 9 AGB-Gesetz unwirksam. Das gelte bereits deshalb, weil die Telefonkarten gem. § 8 AGB-Gesetz einer solchen Inhaltskontrolle entzogen seien. Es handele sich bei ihnen um sog. kleine Inhaberpapiere i.S. von § 807 BGB, mit denen das Leistungsversprechen und der Inhalt der geschuldeten Leistung erst festgelegt werde und bei denen - wie sich aus § 796 BGB ergebe - eine Befristung ohne weiteres möglich sei. Jedenfalls aber sei die Befristung der Gültigkeitsdauer auch im Lichte von § 9 AGB-Gesetz nicht zu beanstanden. Sie führe zu keiner unangemessenen Benachteiligung der Kunden, weil die Guthaben auf den Telefonkarten in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle ohnehin nach Ablauf von drei Jahren verbraucht seien. Ihr, der Beklagten, stünden demgegenüber gravierende, die Befristung der Gültigkeit der Telefonkarten rechtfertigende Interessen zur Seite. Sie habe nur so die Möglichkeit, den um sich greifenden Fällen des Missbrauchs durch Manipulationen, durch die ihr in der Vergangenheit Verluste im dreistelligen Millionenbereich entstanden seien, wirksam zu begegnen. Außerdem werde sie durch die Befristung in die Lage versetzt, aus Gründen des Wettbewerbs erforderliche Veränderungen an der u.a. die Gebrauchsmöglichkeiten der Telefonkarten betreffenden Soft- und Hardware vorzunehmen. Das Verbot der Beschränkung der Gültigkeitsdauer der Telefonkarten führe schließlich auch zu ihrer, der Beklagten, Benachteiligung im Verhältnis gegenüber ausländischen Mitbewerbern, die einem solchen Verbot nicht unterworfen seien.
Mit Urteil vom 27.10.1999, auf welches zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte aus den §§ 13, 9 Abs. 1 AGB-Gesetz entsprechend dem Klagebegehren zur Unterlassung verurteilt. Zur Begründung dieser Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass die Telefonkarten - obwohl diese als sog. kleine Inhaberpapiere i.S. von § 807 BGB einzuordnen seien - der Inhaltskontrolle nach den §§ 9-11 AGB-Gesetz unterfielen. Der danach eröffneten Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz halte die beklagtenseits vorgenommene Begrenzung der Gültigkeit der Telefonkarten indessen nicht stand, weil aus vom Landgericht im einzelnen dargestellten Erwägungen dadurch die Gefahr begründet werde, dass in nicht unerheblichem Umfang Restwerte von Telefonguthaben verfielen oder - falls der drohende Guthabensverfall kurz vor Fristablauf bemerkt werde - der Kunde sich veranlasst sehe, von ihm eigentlich nicht beabsichtigte Telefonate zu führen, um auf diesem Wege noch einen von ihm aber eigentlich nicht benötigten Gegenwert für seine erbrachte Vorleistung zu erhalten.
Gegen dieses ihr am 16.11.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.12.1999 Berufung eingelegt, die sie - innerhalb einer gewährten Fristverlängerung - mit einem am 15.02.2000 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren bereits in der ersten Instanz vertretenen Standpunkt, dass die Beschränkung der Gültigkeitsdauer angesichts der Rechtsnatur der Telefonkarte als sog. kleines Inhaberpapier, das die Leistungspflicht gegenüber den Kunden von vornherein mit einer zeitlichen Befristung festschreibe, gemäß § 8 AGB-Gesetz einer Inhaltskontrolle entzogen sei. Jedenfalls aber verstoße die aus der Telefonkarte abzulesende zeitliche Begrenzung nicht gegen das Transparenzgebot oder führe aus sonstigen Gründe zu einer unangemessenen Benachteiligung der Kunden i.S. von § 9 AGB-Gesetz. Der in der Entscheidung des Landgerichts angeführte Gesichtspunkt, dass bei Ablauf der Gültigkeitsdauer noch vorhandene Restguthaben entweder verfielen oder aber die Kunden zu an sich nicht beabsichtigten Telefonaten veranlasst würden, könne dabei keine Berücksichtigung finden, weil es sich bei den Fällen, in denen die Guthaben nach mehr als 36 Monaten noch nicht verbraucht seien, um zu vernachlässigende Exzess-Fälle handele.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, welches die Beschränkung der Gültigkeitsdauer auf den von der Beklagten herausgegeben Telefonkarten zutreffend als eine nach Maßgabe von § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz unwirksame, den Geboten von Treu und Glauben widersprechende unangemessene Benachteiligung der Kunden verboten habe. Im übrigen verstoße die fragliche Klausel aber aus von der Klägerin im einzelnen ausgeführten Gründen auch gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AGB-Gesetz.
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf ihre in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze jeweils nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Das in dem angefochtenen Urteil ausgesprochene, auf die Verletzung der in der Generalklausel des § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz formulierten Wirksamkeitsanforderungen gestützte Verbot der künftigen Verwendung der angegriffenen Klausel "Gültig bis ..." ist berechtigt. Auch unter Berücksichtigung der beklagtenseits mit der Berufung vorgebrachten Einwände kann die gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz prozeßführungsbefugte und aktivlegitimierte Klägerin von der Beklagten nach Maßgabe von §§ 13 Abs. 1, 9 Abs. 1 AGB-Gesetz Unterlassung verlangen, die angegriffene Klausel "Gültig bis ..." weiterhin zu verwenden, weil die mit dieser Bestimmung getroffene Regelung zu einer den Geboten von Treu und Glauben widersprechenden unangemessenen Benachteiligung der Kunden der Beklagten führt und daher nach den Maßstäben der Inhaltskontrolle des § 9 Abs. 1 AGB-Gesetzes als unwirksam zu erachten ist.
1. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass es sich bei der hier in Rede stehenden, die Gültigkeit der Telefonkarten beschränkenden Bestimmung um eine in vollem Umfang dem Anwendungsbereich der Klauselverbote der §§ 9 - 11 AGB-Gesetz unterfallende Regelung und nicht etwa um eine der Inhaltskontrolle nach Maßgabe der erwähnten Vorschriften des AGB-Gesetzes entzogene bloße Beschreibung der Leistungspflicht der Beklagten handelt. Soweit die Beklagte demgegenüber einwendet, mit Blick auf die Rechtsnatur der Telefonkarten als sog. kleine Inhaberpapiere und die bei diesen mögliche kurze zeitliche Befristung der Leistungspflicht des Ausstellers, entstehe ihre Hauptleistungspflicht von vornherein nur mit dieser inhaltlichen Beschränkung, so dass damit lediglich der unmittelbare Gegenstand der Hauptleistung bestimmt werde, vermag das keine abweichende Würdigung herbeizuführen.
Allerdings trifft es zu, dass nach § 8 AGB-Gesetz nur solche in AGB eingestellte Bestimmungen der richterlichen Inhaltskontrolle unterworfen sind, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Der Inhaltskontrolle versperrt sind hingegen Abreden, die ihrer Art nach nicht der Regelung durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften unterliegen, sondern von den Vertragspartnern festgelegt werden müssen (BGH NJW 1994, 318; BGH NJW 1993, 2369; BGH NJW 1992, 68 8/689). Zu letzteren zählen die bloßen Leistungsbeschreibungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung unmittelbar festlegen und mit denen die für die Leistungen geltenden Vorschriften unberührt gelassen werden. Hingegen sind Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, inhaltlich nach den Maßstäben des §§ 9 - 11 AGB-Gesetz zu kontrollieren (vgl. BGH NJW 1993, 2369). Für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung verbleibt damit letztlich nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (BGH a.a.O.; Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 8. Auflage, § 8 Rdn. 10; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 3. Auflage, § 8 Rdn. 10 und 12 m.w.N.). Dem solcherart zu definierenden engen Bereich der Leistungsbeschreibung ist die hier in Rede stehende, mit der Beschränkung der Gültigkeit der Telefonkarten getroffene Bestimmung jedoch nicht zuzurechnen.
Dabei spricht zwar aus dem vom Landgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils genannten Grund alles dafür, die von der Beklagten ausgegebenen Telefonkarten als sog. kleine Inhaberpapiere i.S. von § 807 BGB einzustufen. Dies vermag indessen die inhaltliche Beurteilung der in Rede stehenden Regelung bzw. die Frage, ob diese überhaupt einer Inhaltskontrolle unterworfen ist, nicht maßgeblich zu beeinflussen, da Anknüpfungspunkt der hier vorzunehmenden Prüfung nicht die Telefonkarten selbst, sondern der ihrer Ausgabe zugrundeliegende Begebungsvertrag ist. Nur bei diesem, nicht aber bei den die hierdurch schuldrechtlich begründete Forderung verbriefenden Telefonkarten handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. der in § 1 Abs. 1 AGB-Gesetz getroffenen Definition, die allein dem Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes unterfallen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingungen, d.h. es muß sich bei ihnen um Bestandteile eines zwischen dem Verwender und dem anderen Teil abzuschließenden Rechtsgeschäfts handeln (vgl. Ulmer in Brandner/Ulmer/Hensen, a.a.O., Rdn. 9 zu § 1; Palandt- Heinrichs, BGB, 59. Auflage, Rdn. 2 zu § 1 AGB-Gesetz- jeweils m.w.N.) . Die beklagtenseits ausgegebenen Telefonkarten stellen für sich genommen keine derartigen Rechtsgeschäfte dar. Für die Entstehung der Verpflichtung aus einem Inhaberpapier ist zwar die Errichtung der Urkunde notwendig. Diese allein genügt indessen nicht, um das verbriefte Forderungsrecht rechtsgeschäftlich entstehen zu lassen. Hinzu kommen muss vielmehr der Begebungsvertrag, in dem der Aussteller dem Nehmer nicht nur das Eigentum an der Urkunde verschafft, sondern darüber hinaus die verbriefte Verpflichtung des Ausstellers schuldrechtlich begründet wird (vgl. Marburger in: Staudinger, BGB, 1997, Rdn. 12 und 14 zu § 793; Palandt-Sprau, a.a.O., Rdn. 4 zu § 807 und Rdn. 8 zu § 793 BGB; Hüffer in Münchener Kommentar, BGB, 3. Auflage, Rdn. 24 Vor § 793). Dies würdigend verkörpern die Telefonkarten zwar den dinglichen Vollzug eines Bestandteils des Verpflichtungstatbestandes, sie stellen als solche jedoch nicht das Element dar, welches die Verpflichtung rechtsgeschäftlich entstehen läßt. Letzteres bewirkt vielmehr der stillschweigend abgeschlossene Begebungsvertrag, dessen für eine Vielzahl von Fällen vordefinierter Inhalt im Streitfall durch die auf den Telefonkarten dokumentierten Bedingungen einschließlich der Befristung der Gültigkeit bestimmt wird. Ist daher dieser Begebungsvertrag als vorformulierte Vertragsbedingung i.S. der Definition des § 1 AGB-Gesetz anzusehen, so steht es seiner Einordnung als Allgemeine Geschäftsbedingung nicht entgegen, dass er selbst keine schriftliche Fixierung erfahren hat. Das in § 1 AGB-Gesetz genannte Begriffsmerkmal der "Vorformulierung" setzt voraus, dass die betreffenden Teile des Vertragsangebots des Verwenders nicht ad hoc für den konkreten Vertragsschluss entworfen, sondern als Grundlage oder Rahmen für gleichartige Rechtsverhältnisse mit verschiedenen Kunden aufgestellt wurden. Einer schriftlichen Aufzeichnung der Vertragsbedingungen bedarf es hierfür nicht (vgl. Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, a.a.O., Rdn. 21 zu § 1; Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rdn. 5 zu § 1 AGB-Gesetz jeweils mit weiteren Nachweisen). Da die Beklagte den Begebungsvertrag zu den aus der Telefonkarte ersichtlichen Bedingungen unzweifelhaft allen Veräußerungsfällen von Telefonkarten gleichermaßen zugrundelegt, ist dem dargestellten Erfordernis der Vorformulierung damit Genüge getan.
Hat nach alledem die Beurteilung, ob die hier in Frage stehende Befristung der Gültigkeit der Telefonkarten gemäß § 8 AGBGesetz einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 9 - 11 AGBGesetz zugänglich ist, auf der Grundlage des Begebungsvertrages stattzufinden, so greift die Sperre des § 8 AGB-Gesetzes, welche die Beklagte aus dem Wesen des Inhaberpaiers (§§ 807, 796 BGB) ableiten will, nicht.
II. Die infolgedessen der Inhaltskontrolle gemäß §§ 9 -11 AGB-Gesetz zugängliche, in den Begebungsvertrag eingestellte Klausel "Gültig bis ..." hält indessen den danach maßgeblichen Wirksamkeitsanforderungen nicht stand.
Sie führt zu einer mit dem Standard des § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz nicht zu vereinbarenden, unangemessenen Benachteiligung der Verbraucher, weil sie die zu deren Lasten mit dem Ablauf der Gültigkeit der Telefonkarten beabsichtigte Folge, nämlich den Verfall der bei Ungültigkeit ggf. noch vorhandenen Guthaben unter Verstoß gegen die Anforderungen des Transparenzgebots nicht mit der gebotenen Deutlichkeit erkennen läßt. Aus diesem Grund kann es im Streitfall daher offen bleiben, ob eine eindeutige Regelung des Verfalls eines etwaigen Guthabens der Inhaltskontrolle standhalten würde.
Allgemeine Geschäftsbedingungen müssen die Rechte und Pflichten des Vertragspartners durch eine entsprechende Ausgestaltung und geeignete Formulierung der Vertragsbedingungen durchschaubar, richtig, bestimmt und möglichst klar darstellen ( vgl. BGH Z 106, 42/49 = NJW 1989, 2222; BGH NJW 1993, 2052; Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, a.a.O., Rdn. 87, 89 zu § 9 m.w.N.). Der auf der Telefonkarte angebrachte Gültigkeitsvermerk besagt zunächst nur, dass die Karte nach Fristablauf nicht mehr zum Telefonieren benutzt werden kann; insoweit geht es allein um die Dauer der technischen Verwendbarkeit des Papiers. Davon unabhängig ist die Rechtsfrage zu beantworten, was mit einem bei Fristablauf etwa noch nicht abtelefonierten Guthaben geschieht:
Ist es verfallen oder behält der Kunde den ihm mangels gegenteiliger Regelung zustehenden Anspruch auf Erstattung des vorgeschossenen und nicht verbrauchten Betrages ? Dass die Beklagte über die auf der Telefonkarte dokumentierte Befristung der Gültigkeitsdauer nach den sonstigen Bedingungen des Begebungsvertrages überhaupt einen Hinweis auf den Verfall des Guthabens vornimmt, läßt sich weder ihrem Vortrag, noch dem Sachverhalt im übrigen entnehmen. Vielmehr hat sie danach den Verfall der von den Kunden in Erwartung der Vertragsleistung vorentrichteten, bei Ablauf der Gültigkeitsdauer der Telefonkarten ggf. noch vorhandenen Restbeträge vorgesehen, ohne die Verbraucher im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf diese Besonderheit der Vertragsgestaltung aufmerksam zu machen.
Die i.S. des § 9 AGB-Gesetz für den Kunden unangemessene Folge dieses Verstoßes gegen das Transparenzgebot belegt folgende Überlegung:
Individualvertragsrechtlich behält der Kunde den ihm nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln zustehenden Anspruch auf Erstattung des Guthabens, weil das Gegenteil durch die insoweit zumindest unklaren Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht wirksam vereinbart ist (vgl. § 5 AGB-Gesetz). Durch die Formulierung der Gültigkeitsdauer auf der Telefonkarte wird er aber in vielen Fällen verleitet werden, auf die Geltendmachung der ihm zustehenden Rechte wegen der für ihn unklaren Rechtslage zu verzichten. Diese dem Kunden de facto drohenden Nachteile können im Verbandsprozess, in dem entgegen § 5 AGB-Gesetz die in Betracht zu ziehende kundenfeindlichste Auslegung der Klausel zugrundezulegen ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., Rdn. 3 zu § 13 AGB-Gesetz) geltend gemacht werden. Sie führen zur Unwirksamkeit der in Frage stehenden Gültigkeitsbefristung, weil die Regelung damit unter Verstoß gegen das dargestellte Transparenzgebot so gestaltet und formuliert ist, dass der Kunde über seine Rechte und Pflichten in die Irre geführt und insbesondere von der Geltendmachung bestehender Ansprüche abgehalten werden kann (vgl. Brandner in: Brandner/Ulmer/Hensen, a.a.O., Rdn. 87, 89 zu § 9 AGB-Gesetz m.w.N.). Unabhängig davon, dass der in anderem Zusammenhang erhobene Einwand der Beklagten, die Inhaltskontrolle scheitere an § 8 AGB-Gesetz, aus den vorstehend dargestellten Gründen nicht zu überzeugen vermag, scheidet dieser Einwand bei dem damit vorliegenden Verstoß gegen das Transparenzgebot aus ( vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rdn. 1 zu § 8 AGB-Gesetz).
Ebensowenig kann angesichts der geschilderten Rechtslage die gleichfalls in anderem Kontext vorgebrachte Erwägung der Beklagten greifen, die Untersagung der Klausel verstoße gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Inländerdiskriminierung.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 26.07.2000 lag vor, bot indessen keinen Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Denn selbst wenn - wie die Beklagte das in diesem Schriftsatz vorgebracht hat - die Beklagte ihre öffentlichen Fernsprecher nunmehr so programmiert hat, dass diese bei Benutzung mit einer Telefonkarte deren Gültigkeitsdauer und das Restguthaben aufweisen, vermag das an der Beurteilung der Unwirksamkeit der streitbefangenen Klausel nichts zu ändern.
IV. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer orientiert sich am Wert des Unterliegens der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit.
Mit Blick auf die weite Verbreitung der mit der hier beurteilten Befristung ausgestatteten Telefonkarten und auf die dadurch begründeten Erwartung, dass sich die Frage der Wirksamkeit dieser Klausel nach dem AGB-Gesetz künftig wiederholt stellen wird, sieht der Senat die Voraussetzungen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 546 Nr. 1 ZPO als erfüllt an und hat daher die Revision zugelassen.