Geschäfts-Nr.:
416 O 129/00 |
Verkündet am 13. Oktober 2000
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Landgericht Hamburg
URTEIL
Im Namen des Volkes
In der Sache
- *
Klägerin
- *
Beklagter
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung von DM 100.000.-.
T A T B E S T A N D:
Die Klägerin, die Bundesrepublik Deutschland, ist Trägerin der Bundeswehr und der deutschen Seestreitkräfte. Die Beklagte betreibt einen Bootsimport. Er bietet Bootsmotorenersatzteile, Kühlsysteme, Auspuffanlagen, Propeller und anderes Zubehör für Sportboote bekannter Marken an. Seit 1997 betreibt er die Domain "marine.de". Unter dieser Adresse können Internet-Nutzer kostenlos maritime Kleinanzeigen aufgeben, ändern, löschen und nach Angeboten suchen. Zwei Firmen haben Speicherplätze auf dieser Domain gemietet. Der Beklagte betreibt seit Beginn eine gezielte Bannerwerbung unter der streitigen Domain "marine.de".
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung der Domain marine.de in Anspruch. Sie nimmt für sich ein Namensrecht an der Bezeichnung "Marine" und einen Unterlassungsanspruch nach den §§ 823, 12 BGB in Anspruch. Namensrechte bestünden auch zugunsten staatlicher Organisationen, wie z. B. Gebiets- oder Selbstverwaltungskörperschaften. Die Bezeichnung "Marine" sei seit der Gründung der deutschen Seestreitkräfte 1955/56 deren offizieller Name und werde auch, zuweilen mit Zusätzen, stets geführt. Der Begriff Marine habe bereits durch Preußen bzw. den Norddeutschen Bund ("Norddeutsche Bundesmarine") sowie nachfolgend das Kaiserreich ("Kaiserliche Marine"), in der Weimarer Republik unter der Bezeichnung "Reichsmarine" sowie später im Dritten Reich unter dem Namen "Kriegsmarine" Verwendung gefunden.
Die heutige Bezeichnung "Marine" gehe zurück auf eine Anweisung des Bundesministeriums der Verteidigung aus dem Jahre 1956 (Organisationserlaß gemäß Art. 65 Abs. 71 Satz 2, 65a Abs. 1 Grundgesetz). Soweit dies zur Abgrenzung der deutschen von den Seestreitkräften anderer Länder erforderlich gewesen sei, so sei die Bezeichnung "Bundesmarine" gebräuchlich. Im Zuge der Herstellung der deutschen Einheit sei diese durch "Deutsche Marine" ersetzt worden. Die offizielle Bezeichnung sei indessen immer das Wort "Marine" gewesen. Mit dem Begriff "Marine" würden heute fast ausschließlich die deutsche Seestreitkraft assoziiert (Beweis: Sachverständigen-Gutachten).
Die Klägerin beantragt,
Der Beklagte beantragt,
Die Klägerin habe keine kennzeichnungsrechtlichen Ansprüche auf die Nutzung des Namens "Marine" als Domain im Internet. Die Bezeichnung der Teilstreitkräfte der Klägerin sei nicht "Marine", sondern "Bundesmarine". Es müsse bestritten werden, daß die Bundesmarine bzw. die deutschen Seestreitkräfte in der Vergangenheit sich selbst in der Öffentlichkeit jemals allein mit dem Wort "Marine" bezeichnet hätten. Die angeführten historischen Beispiele der Klägerin zeigten, daß jeweils Zusätze verwendet worden seien. Die amtlichen Bezeichnungen für alle bedeutenden staatlichen Einrichtungen enthielten in Kennzeichnung der horizontalen und vertikalen Gewaltenteilung der Deutschen Verfassung das Präfix "Bundes". Daß der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik einen Bezeichnungswechsel im Sprachgebrauch von "Bundesmarine" in "Deutsche Marine" bewirkt habe, werde bestritten (Beweis: Sachverständigen-Gutachten).
Als der Beklagte 1997 die Domain "marine .de" angemeldet habe, habe die Klägerin eine Web-Site unter der Bezeichnung "bundesmanne.de" betrieben, die sie auch heute noch unterhalte. Sie sei seinerzeit keineswegs dazu gezwungen gewesen, das Präfix "Bundes" davor zu setzen. Den Sprachgebrauch illustriere auch, daß man von Marine-Kleidung bzw. Marine-Look spreche. womit nicht die Militärkleidung der Klägerin, sondern ein in der Zivilkleidung sichtbarer maritimer Bezug gemeint sei. Ein Marineklub sei auch keine Einrichtung der Klägerin, sondern ein Sportklub. Auch in anderen europäischen Unionsstaaten seien die Domains "Marine" nicht Adressen staatlicher Einrichtungen, sondern die kommerzieller Anbieter.
Soweit die Klägerin zum Nachweis ihrer Ausführungen die 96er Ausgabe des Brockhaus bemühe, so habe sich die Redaktion in der Ausgabe von 1999 offen bar entschlossen, den von der Klägerin zitierten Satz "Im engeren Sinne ver wendet man Marine auch als Kurzbezeichnuflg für Kriegsmarine" zu streichen (Anlage B 3), hier sei nun formuliert "die dem Seehandel (Handels-Marine, Handelsflotte und der Seekriegsführung eines Staates dienenden Schiffe und Einrichtungen."
Die Klägerin habe auch nicht ein einziges Gesetz von Verfassungs-, Bundes- oder Landesrang benannt, das das Wort "Marine" isoliert in diesem Sinne verwende. Der Bundeshaushaltsplan sei insoweit nicht maßgeblich. Die Klägerin bezeichne sich offenbar selbst im eigenen Gefüge fortlaufend falsch. Sie könne in namensrechtlichen Streitigkeiten nicht mit Ungenauigkeiten ihrer Bezeich nung argumentieren, sondern müsse schon deutlich machen, ob sie sich als "Bundesmarine", als "Deutsche Marine" oder als "Marine" bezeichnen lassen wolle. Der Beklagte habe aufgrund seiner aufgebauten Geschäftsbeziehungen ein ernsthaftes und schützenswertes Interesse daran' sich weiterhin unter der Domain "marine.de" zu präsentieren.
Für den Parteivortrag im übrigen wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze und die eingereichten Anlagen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann vom Beklagten keine Ubertragung der Domain "marine.de" verlangen. Im einzelnen:
Markenrechtliche Ansprüche kommen seitens der Klägerin nicht in Betracht. Sie ist nicht im geschäftlichen Verkehr tätig und verfügt auch nicht über eine eingetragene Marke oder eine geschäftliche Bezeichnung. Im außergeschäftlichen Verkehr kommt von vornherein nur § 12 BGB als Anspruchsgrundlage zur Anwendung.
Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts, Städte, Gemeinden und an dere öffentliche Einrichtungen können sich auf § 12 BGB berufen. Der Klägerin selbst steht namensrechtlicher Schutz unter der Bezeichnung "Bundesrepublik Deutschland" zu, wie keinem Zweifel unterliegt. Namens- schutz genießen darüber hinaus auch ihre Einrichtungen im einzelnen, wie z.B. "Bundestag" und "Bundesrat" oder "Bundeswehr". Unabhängig von der strei tigen Frage, ob die Bezeichnung "Bundesmarine" mit der Herstellung der deutschen Einheit durch die Bezeichnung "Deutsche Marine" ersetzt worden ist oder nicht, so zeigt jedenfalls der Sprachgebrauch der Klägerin selbst, daß sie die Bezeichnung "Marine" nach außen nicht in Alleinstellung verwendet, sondern diese mit jeweiligen Präfixen versieht wie "Bundes" oder "Deutsche". Hierauf deutet auch die Anmeldung der Domain "Bundesmarine.de" hin' die noch vor der Eintragung der streitigen Domain des Beklagten erfolgte, also zu einem Zeitpunkt. zu dem die Klägerin noch die freie Wahl gehabt hätte, als Adresse "Marine.de" zu benennen. Ergänzend sei auf die neueste Ausgabe des "Brockhaus" von 1999 (Anlage B 3) verwiesen, in dem es heißt:
"Marine [lat.] die, die dem Seehandel (Handels-M.' Handelsflotte, - schiffahrt, und der Seekriegsführung, Kriegsmarine) eines Staates dienenden Schiffe und Einrichtungen.
Hiernach umfaßt der Begriff "Marine" sowohl die zivilen als auch die militärischen Schiffahrtseinrichtungen' ist also ein Oberbegriff, der durch Präfixe sei nen eigentlichen Sinngehalt gewinnt. Daß mit dem Wort "Marine" kein strikter militärischer Bezug verbunden wird, zeigen die zahlreichen Internet-Adressen, die das Wort "Marine" in unter schiedlichstem Kontext verwenden (vgl. Anlage B 1) 50 z. B. im Zusammenhang mit Meeresbotanik' mit Mikrobiologie' mit Planktologie' mit dem Tauchsport' mit einem Jugendverein, Ausrüstung und Zubehör für Yachten, die Bergung von Schätzen aus dem Meer und anderes.
Die Mehrdeutigkeiten des Sprachgebrauches zeigen auch Verwendungen des Begriffes im Bereich der Mode "Marine-Look", der keineswegs mit militäri schen Uniformen übereinstimmt oder die Verwendung des Wortes "Handels marine", wie sie angesichts der Havarie eines Frachtschiffes im griechischen Hafen Haikida jüngst zu lesen war. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß das Wort "Marine" keineswegs im eindeutigen Sinne auf die Seestreitkräfte eines Landes bzw. der Bundesrepublik Deutschland hinweisen, sondern daß es zur Begründung dieses zwingen den Zusammenhanges eines weiteren Zusatzes wie des Präfixes "Bundes" bedarf, um eine eindeutige Zuordnung auf die Klägerin und ihre Einrichtungen zu erzeugen. Der Klägerin stehen deswegen keine Namensrechte an dem isolierten Wort "Marine" zu.
Die Klägerin kann auch keine Ansprüche aus § 1 UWG herleiten. Zum einen deswegen, weil sie sich nicht im geschäftlichen Verkehr im Wettbewerb mit dem Beklagten befindet, zum anderen aber auch deswegen, weil der vorliegende Sach- und Streitstand keinerlei Anlaß gibt anzunehmen, daß es sich bei dem Beklagten um einen sog. Domain-Grabber handelt, der die Domain lediglich hat eintragen lassen, um daraus durch den Verkauf an einen wahren Namensinhaber finanzielle Vorteile zu erlangen. Der Beklagte betreibt seine Domain für ein entsprechendes Unternehmen, das auch durchaus ein lebendiges ist, seit längerer Zeit. Wenn er sich bereit erklärt hat, trotz seiner Einführung auf dem Markt unter der Bezeichnung "marine.de" der Klägerin diese Domain zu überlassen und hierfür eine finanzielle Entschädigung verlangt, so kann ihm dies nicht zum Vorwurf gemacht werden. Wenn die Klägerin beabsichtigt, neben ihrer bereits bestehenden Web-Site "bundesmarine.de" auch das Wort "marine.de" als weiteren Zugang zu eröffnen, obgleich diese Bezeichnung be reits durch einen prioritätsälteren Zeicheninhaber in Anspruch genommen wird, so hat sie wie jeder andere Interessent für ein Gut einen angemessenen Preis zu entrichten. Daß sie sich dessen in keiner Weise bewußt war, zeigt ihr Schreiben vom 31. August 1999, Anlage K 3. mit dem sie dem Beklagten mit teilte, sie beabsichtige das Medium Internet für ihre Offentlichkeitsarbeit und Nachwuchswerbung intensiv zu nutzen. Die Präsentation von Informationen über die deutsche Marine solle künftig unter der Adresse "marine.de" erfolgen. Sie habe feststellen müssen, daß diese Domain durch den Beklagten belegt sei und daher werde er gebeten, die Adresse freizugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 ZPO.