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mitgeteilt von RA Boris Hoeller ( HOELLER Rechtsanwälte )

T-19/99 Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Januar 2000.

Europäischer Gerichtshof

( 4. Kammer )

Urteil des Gerichts

In der Rechtssache T-19/99

  • *

    Klägerin


    Bevollmächtigter:
g e g e n
  • Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle), vertreten durch Alexander von Mühlendahl, Vizepräsident für Rechtsangelegenheiten, und Detlef Schennen, Leiter der Dienststelle für Gesetzgebung und internationale Rechtsangelegenheiten, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst der Kommission, Centre Wagner, Kirchberg, Luxemburg,

    Beklagter

erläßt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten R. M. Moura Ramos, der Richterin V. Tiili und des Richers P. Mengozzi,

aufgrund der am 21. Januar 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 8. April 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der prozeßleitenden Maßnahmen vom 15. Juni 1999,

auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 1999,

folgendes

Urteil

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.
Die Klägerin reichte mit Schreiben vom 23. Juli 1996 beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (im folgenden: Amt) die Ameldung einer Gemeinschaftsmarke ein. Die Anmeldung ging am 24. Juli 1996 beim Amt ein.

2.
Die angemeldete Marke besteht aus dem Wort Companyline.
3.
Die Eintragung wurde für die Dienstleistungen des Bereichs 5Versicherungswesen; Finanzwesen" in Klasse 36 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in seiner revidierten und geänderten Fassung begehrt.
4.
Mit Bescheid vom 17. April 1998 wies der Prüfer die Anmeldung gemäß Artikel 38 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 3288/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 zur Umsetzung der im Rahmen der Uruguay-Runde geschlossenen Übereinkünfte (ABl. L 349, S. 83) zurück.
5.
Am 13. Mai 1998 erhob die Klägerin gemäß Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 beim Amt Beschwerde gegen den Bescheid des Prüfers. Die Beschwerdebegründung wurde am 3. Juni 1998 eingereicht.
6.
Die Beschwerde wurde dem Prüfer gemäß Artikel 60 der Verordnung Nr. 40/94 zur Entscheidung über die Abhilfe vorgelegt.
7.
Am 2. Juli 1998 wurde sie der Beschwerdekammer vorgelegt.
8.
Durch Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer vom 18. November 1998, der Klägerin zugestellt am 19. November 1998 (im folgenden: angefochtene Entscheidung), wurde die Beschwerde zurückgewiesen.

Anträge der Parteien

9.
Die Klägerin beantragt,

-unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung dem Amt aufzugeben, das Zeichen Companyline für die Dienstleistungen der Klasse 36 (Versicherungswesen; Finanzwesen) als Gemeinschaftsmarke mit der Erklärung der Klägerin einzutragen, daß sie an den Bestandteilen "Company" oder "line" keine Ausschließlichkeitsrechte in Anspruch nehmen werde;

-hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

10.
Das Amt beantragt,

-den Hauptantrag als unzulässig abzuweisen;

-die Klage im übrigen abzuweisen;

-der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

11.
Im Rahmen der prozeßleitenden Maßnahmen vom 15. Juni 1999 hat die Klägerin ihren Hauptantrag dahin korrigiert, dem Amt solle unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung aufgegeben werden, das Zeichen Companyline für die Dienstleistungen der Klasse 36 (Versicherungswesen; Finanzwesen) als Gemeinschaftsmarke im Blatt für Gemeinschaftsmarken mit der Erklärung der Klägerin zu veröffentlichen, daß sie an den Bestandteilen "Company" oder "line" keine Ausschließlichkeitsrechte in Anspruch nehmen werde. Die Klägerin beantragt weiter, dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen.
12.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf ihren Hauptantrag verzichtet. Das Gericht hat dies zur Kenntnis genommen.

Zu dem Aufhebungsantrag

13.
Die Klägerin macht im wesentlichen drei Klagegründe geltend: Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94, fehlerhafte Anwendung von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c dieser Verordnung, der im Licht ihres Artikels 12 Buchstabe b auszulegen sei, und Ermessensmißbrauch.

Zum Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94

Vorbringen der Parteien

14.
Die Klägerin macht geltend, die Auffassung der Beschwerdekammer, das Wort Companyline sei nicht geeignet, ihre Dienstleistungen des Versicherungs- und Finanzwesens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden, sei rechtlich und sachlich verfehlt, da die Kammer eine Grenzziehung zwischen dem Merkmal 5keine Unterscheidungskraft" und einer Unterscheidungskraft geringsten Ausmaßes versäumt habe.
15.
Den Worten "keine Unterscheidungskraft" in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 sei zu entnehmen, daß dieses Eintragungshindernis bereits bei geringster Unterscheidungskraft entfalle.
16.
Ein Zeichen sei zudem stets in seiner Gesamtheit und nicht unter Aufspaltung in seine verschiedenen Bestandteile zu beurteilen. Das angemeldete Zeichen Companyline sei eine aus den beiden Worten "Company" und "line" zusammengesetzte Wortbildung. Für die Beurteilung seiner Unterscheidungskraft sei allein seine Gesamtwirkung maßgebend.
17.
Aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung ergebe sich weiter, daß das Wort Companyline im Dienstleistungsbereich des Versicherungs- und Finanzwesens nicht existiere. Es handele sich somit um ein von der Klägerin eigens für diesen Bereich erfundenes Wort, das selbst dem englischsprachigen Adressaten einen nur diffusen Bedeutungsgehalt vermittele.
18.
Überdies verbiete es die Systematik der Verordnung Nr. 40/94, die Unterscheidungskraft nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b anhand von Kriterien zu untersuchen, die nur den beschreibenden Charakter eines Zeichens gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c beträfen.
19.
Schließlich dürfe die Unterscheidungskraft einer Marke nicht allein für das englische Sprachgebiet beurteilt werden. Das Amt habe auch außer acht gelassen, daß Marken, die die Worte "Company" oder "line" enthielten, in vielen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft eingetragen seien; es habe damit die im Markenrecht der Gemeinschaft bestehende Harmonisierungspflicht verkannt.
20.
Das Amt führt aus, daß ein Zeichen, das keine Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b habe, seinem Wesen nach keine Marke sein könne, da das Publikum es (abgesehen vom Fall der durch Benutzung des Zeichens erworbenen Unterscheidungskraft) nicht als eine solche wahrnehme. Es könne daher die Funktion als Kennzeichen im Sinne eines Symbols für die Verbindung zwischen Ware oder Dienstleistung und dem Unternehmen, das für die Herstellung oder den Vertrieb der Ware oder Dienstleistung verantwortlich sei, nicht erfüllen.
21.
Ein noch so geringer Grad der Unterscheidungskraft reiche zwar aus, um zur Nichtanwendung dieses Ausschlußgrundes zu führen. Dieser minimale Grad an Unterscheidungskraft sei aber im vorliegenden Fall nicht erreicht.
22.
Die Eintragungshindernisse gemäß Artikel 7 der Verordnung Nr. 40/94 griffen nach dessen Absatz 2 bereits dann ein, wenn sie nur in einem Teil der Gemeinschaft vorlägen.

Würdigung durch das Gericht

23.
Nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 40/94 kann ein Zeichen, das sich graphisch darstellen läßt, eine Gemeinschaftsmarke sein, soweit es geeignet ist, Waren eines Unternehmens von denjenigen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache T-163/98, Procter & Gamble/HABM, Slg. 1999, II-0000, Randnr. 20).
24.
Daraus folgt insbesondere, daß sich die Unterscheidungskraft nur für die Waren oder Dienstleistungen beurteilen läßt, für die die Eintragung des Zeichens beantragt wurde.
25.
Gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 sind "Marken, die keine Unterscheidungskraft haben", von der Eintragung ausgeschlossen.
26.
Im vorliegenden Fall besteht das Zeichen ausschließlich aus den beiden in englischsprachigen Ländern üblichen Begriffen "Company" und "line". Der Begriff "Company" läßt erkennen, daß es um ein für Gesellschaften oder Firmen bestimmtes Produkt oder eine für sie bestimmte Dienstleistung geht. Das Wort "line" hat mehrere Bedeutungen. Im Bereich der Versicherungs- und Finanzdienstleistungen bezeichnet es insbesondere eine Versicherungsbranche, eine Produktsparte oder -gruppe. Es handelt sich somit um zwei Oberbegriffe, die lediglich eine Sparte von Produkten oder Dienstleistungen bezeichnen, die für Unternehmen bestimmt sind. Ihre Verbindung ohne jede graphische oder inhaltliche Änderung weist keinerlei zusätzliches Merkmal auf, das das Zeichen in seiner Gesamtheit geeignet erscheinen ließe, die Dienstleistungen der Klägerin von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Der Umstand, daß das Wort Companyline - zusammen oder getrennt geschrieben - nicht in Wörterbüchern aufgeführt ist, ändert an dieser Beurteilung nichts.
27.
Das Zeichen Companyline hat deshalb keine Unterscheidungskraft.
28.
Was das Vorbringen der Klägerin angeht, das Amt habe die im Markenrecht der Gemeinschaft bestehende Harmonisierungsverpflichtung verkannt, so greifen die Eintragungshindernisse gemäß Artikel 7 der Verordnung Nr. 40/94 nach dessen Absatz 2 bereits dann ein, wenn sie nur in einem Teil der Gemeinschaft gegeben sind. Im vorliegenden Fall war es gerechtfertigt, das Wort Companyline von der Eintragung auszuschließen, da es im englischen Sprachgebiet nicht schutzfähig ist.
29.
Die Beschwerdekammer hat somit zu Recht bestätigt, daß das Wort Companyline gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 nicht als Gemeinschaftsmarke eintragungsfähig ist.
30.
Nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 ist das Zeichen schon dann nicht als Gemeinschaftsmarke eintragungsfähig, wenn eines der aufgezählten absoluten Eintragungshindernisse vorliegt (vgl. Urteil Procter & Gamble/HABM, Randnr. 29).
31.
Über den zweiten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 gerügt wird, braucht deshalb nicht entschieden zu werden.

Zum Ermessensmißbrauch

32.
Nach Auffassung der Klägerin beruht die angefochtene Entscheidung auf einem Ermessensmißbrauch. In der mündlichen Verhandlung hat sie ausgeführt, daß der Beklagte in der Sache Companyline wesentlich strengere Kriterien anlege, als es seiner Praxis entspreche.
33.
Jedoch liegt kein objektiver, klarer Hinweis dafür vor, daß der Erlaß der angefochtenen Entscheidung ausschließlich oder zumindest maßgebend dadurch bestimmt war, andere als die angegebenen Zwecke zu erreichen. Dieser Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.
34.
Nach alledem ist die Klage als unbegründet abzuweisen.

Kosten

35.
Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Beklagten dessen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten.

Moura Ramos Tiili Mengozzi
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Januar 2000.

Der Kanzler
H. Jung
Der Präsident
R. M. Moura Ramos