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Rechtsprechung

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mitgeteilt von RA Boris Hoeller ( HOELLER Rechtsanwälte )

Info

Die Unterscheidungskraft einer zur Eintragung in die Zeichenrolle angemeldeten Marke muß noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Anmeldung gegeben sein; eben dieser Zeitpunkt ist für das Vorliegen von Eintragungshindernissen (hier: Freihaltebedürfnis) maßgeblich.

I ZB 8/91 Verkündet am 13. Mai 1993

*
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle

Bundesgerichtshof

Beschluss

in der Rechtsbeschwerdesache über die Anmeldung des Warenzeichens [ ... ]



Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 1993 durch den Vorsitzenden Richter und die Richter b e s c h l o s s e n:

    Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluß [ ... ] des Bundespatentgerichts vom [ ... ] aufgehoben.

    Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

    Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 DM festgesetzt.

G r ü n d e

  1. Die Anmelderin hat am 2. 7. 1987 beim DPA das Wortzeichen "MICRO CHANNEL" für die Waren "Datenverarbeitungs- und Datenübertragungsgeräte und daraus zusammengestellte Anlagen, Datenein- und -ausgabegeräte und daraus zusammengestellte Anlagen, Bauteile und Zubehör für die genannten Waren; Datenverarbeitungsprogramme und Programmhandbücher" zur Eintragung in die Zeichenrolle angemeldet. 1) 2)

    Die Prüfungsstelle für Klasse 9 Wz des DPA hat die Anmeldung zurückgewiesen und sich zur Begründung im wesentlichen darauf bezogen, daß es sich bei dem Zeichen um eine freihaltebedürftige bloße Aneinanderreihung zweier selbständig nicht schutzfähiger warenbeschreibender Bestandteile (Erstbeschluß) bzw. um einen Gesamtbegriff, der beschreibend auf die besonders kleine und komplexe Bauart des Kanals, an den die Geräte und Anlagen angeschlossen werden könnten, handele, dem deshalb auch die notwendige Unterscheidungskraft fehle (Erinnerungsbeschluß).

    Die hiergegen erhobene Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.

  2. Das BPatG hat das angemeldete Zeichen für freihaltebedürftig gehalten und hierzu ausgeführt: Der Vortrag der Anmelderin, die angemeldete Bezeichnung bzw. ihre entsprechende deutsche Bedeutung seien am Anmeldetag als Hinweise auf die Waren des Warenverzeichnisses weder bekannt noch gebräuchlich gewesen, sei nicht zu widerlegen, so daß dem angemeldeten Zeichen die Unterscheidungskraft zu dem vorerwähnten Zeitpunkt nicht abgesprochen werden könne. Ebenso habe es für diesen Zeitpunkt an konkreten Anhaltspunkten für die Annahme eines (zukünftigen) Freihaltebedürfnisses gefehlt. Auf diese Gegebenheiten im Anmeldezeitpunkt komme es jedoch nicht an, da maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen zwar (auch) der Anmeldetag sei, diese jedoch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung vorliegen müßten.

    Derzeit werde aber die Bezeichnung "MICRO CHANNEL" bzw. "Mikrokanal" umfangreich als gattungsmäßiger Hinweis auf spezielle Datenverarbeitungs- und Datenübertragungsgeräte gebraucht, wie sich aus - im einzelnen angeführten - Fachpublikationen seit Oktober 1989 ergebe und von der Anmelderin auch eingeräumt worden sei. Hieraus ergebe sich zugleich, daß die angemeldete Bezeichnung nicht nur in bezug auf Geräte der sogenannten Hardware verwendet werde, sondern auch die für den Einsatz derartiger Datenverarbeitungsgeräte erforderlichen Programme und Handbücher hierfür betreffe.

    Das BPatG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Schutzfähigkeit abzustellen ist, höchstrichterlich noch nicht entschieden sei.

  3. Die gegen die Beurteilung der Anmeldung gerichtete Rechtsbeschwerde der Anmelderin ist, da das BPatG sie zugelassen hat, statthaft (§ 13 Abs. 5 WZG); sie ist auch im übrigen zulässig. Sie eröffnet die vollständige revisionsähnliche Überprüfung des angefochtenen Beschlusses, ohne daß die Anmelderin auf die Rüge beschränkt wäre, die Rechtsfrage, die die Zulassung ausgelöst hat, sei rechtsfehlerhaft entschieden. Das BPatG hat eine Beschränkung der Zulassung auf den genannten rechtlichen Gesichtspunkt nicht ausgesprochen, eine solche wäre auch unzulässig gewesen (BGHZ 90, 318, 3201) - Zinkenkreisel).

    Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.

    1. Das BPatG ist ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, daß die von ihm für den Anmeldezeitpunkt angenommene Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens und das Fehlen eines Freihaltebedürfnisses hieran in eben diesem Zeitpunkt noch nicht ohne weiteres zu der begehrten Eintragung führen können.

      Ebenso wie die äußeren, in § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 WZG aufgeführten Voraussetzungen für die Eintragung eines Warenzeichens nicht lediglich am Anmeldetag des Zeichens, sondern naturgemäß auch am Tag der Entscheidung über die Eintragung gegeben sein müssen, gilt das auch für die inneren, das Zeichen als solches betreffenden Voraussetzungen der Unterscheidungskraft (§ 1 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 Nr. 1 Altern. 1 WZG) sowie für das Nichtvorliegen von Eintragungshindernissen (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 Altern. 2, Nr. 2 - 5 WZG). Das ist im Schrifttum einhellig anerkannt (vgl. Althammer, WZG, 4. Aufl., § 4 Rdn. 3, § 10 Rdn. 6; Baumbach/Hefermehl, Warenzeichenrecht, 12. Aufl., § 10 Rdn. 5; Busse/Starck, WZG, 6. Aufl., § 4 Rdn. 65, § 10 Rdn. 5; v. Gamm, WZG, 1965, § 4 Rdn. 5, § 10 Rdn. 24) und von der Rechtsprechung in Amtslöschungsverfahren nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 WZG im Zusammenhang mit der Frage, ob "die Eintragung des Zeichens hätte versagt werden müssen", vielfach ausgesprochen worden (vgl. RPA Bl.f.PMZ 1929, 124, 125 - Kartei; 1931, 228 - Ballonrad; DPA Mitt. 1963, 86, 87 - Fresko; BPatGE 4, 182, 185 - colorclip; 6, 233, 240 - Rigi; 24, 94, 102 - Yusi; BGHZ 42, 44, 522) - Scholl; 91, 262, 2723) Indorektal; BGH GRUR 1985, 1053 , 1054 li. Sp. - ROAL). Dem ist für das Eintragungsverfahren beizutreten, denn von dem Erfordernis des Vorliegens der Unterscheidungskraft und dem Nichtvorliegen von Eintragungshindernissen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung ist der BGH bisher angesichts der vorerwähnten Fassung von § 10 Abs. 2 Nr. 2 WZG auch für das Eintragungsverfahren ausgegangen. Es ist kein Grund ersichtlich - von der Rechtsbeschwerde auch nicht geltend gemacht -, der es rechtfertigte, von dieser Rechtsauffassung abzuweichen. Soweit das BPatG ausgeführt hat, die Entwicklung des angemeldeten Zeichens zu einem Gattungsbegriff sei nach Auffassung der Anmelderin dadurch bedingt, daß sie selbst Waren mit der Bezeichnung in den Verkehr gebracht habe, kann hieraus - die Richtigkeit der Auffassung der Anmelderin unterstellt - kein durchgreifender Grund für eine andere Beurteilung gewonnen werden. Ein anderes gilt auch nicht deshalb, weil die Anmelderin abgesehen vom Fall des Vorliegens einer nach § 25 Abs. 1 WZG geschützten Ausstattung oder besonderer, wettbewerbsrechtlich relevanter Umstände - vor der Eintragung eines Zeichens keine rechtlichen Möglichkeiten hat, Dritte an der beschreibenden oder sonstigen Verwendung einer Kennzeichnung zu hindern. An der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Entscheidung über die Eintragung für das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen - hier Unterscheidungskraft und Fehlen eines Freihaltebedürfnisses - ändern solche Umstände nichts. Ob die Eintragungsvoraussetzungen vorliegen, richtet sich nach der zu beachtenden und damit im Zeitpunkt der Entscheidung gegebenen Verkehrsauffassung und nicht nach den Ursachen für deren Entstehung oder deren Veränderung (hier: Inverkehrbringen von Waren mit dem angemeldeten Zeichen). Das Eintragungsverfahren für Warenzeichen ist ein auf schnelle Erledigung einer Vielzahl von Anmeldungen gerichtetes Registrierungsverfahren, in dessen Rahmen daher für eingehende, längerwährende Ermittlungen (hier etwa über die Ursache einer bestehenden Verkehrsauffassung) kein Raum ist (vgl. BGHZ 91, 262, 270 3) Indorektal).

    2. Nicht beigetreten werden kann dem BPatG, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht, in der Annahme, im Zeitpunkt seiner Entscheidung habe an dem angemeldeten Zeichen, das eine beschreibende Sachangabe darstelle, ein Freihaltebedürfnis bestanden. Diese Beurteilung wird von den vom BPatG festgestellten Tatsachen nicht getragen.

      Das BPatG hat den von ihm angeführten Stellen aus Fachpublikationen entnommen, daß die Bezeichnungen Mikrokanal bzw. Micro channel als gattungsmäßiger Hinweis auf spezielle Datenverarbeitungs- und Datenübertragungsgeräte verwendet würden. Es hat an anderer Stelle ausgeführt, die angemeldete Bezeichnung habe sich als Bezeichnung einer speziellen, von der Anmelderin in ihren neuen Personal-Computern eingesetzten Bus-Schnittstelle eingebürgert. Diese beiden Feststellungen widersprechen einander, denn mangels dahingehender Feststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, daß in der zweiten der vorerwähnten Verwendungsweisen kein gattungsmäßiger Hinweis, sondern allein die Kennzeichnung von Geräten der Anmelderin liegt. Eine gesicherte tatsächliche Grundlage für die Beurteilung hat dem BPatG demnach nicht zur Verfügung gestanden.

      Aber auch bei seiner aus den vorerwähnten Fachpublikationen abgeleiteten Annahme, das angemeldete Zeichen sei wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses einem zeichenrechtlichen Schutz nicht zugänglich, hat das BPatG mangels hierauf bezüglicher tatsächlicher Feststellungen unberücksichtigt gelassen, inwieweit überhaupt die in Rede stehende Bezeichnung von Mitbewerbern der Anmelderin in dem angeführten beschreibenden Sinn benutzt wird oder aufgrund welcher Anhaltspunkte angenommen werden kann, daß sie demnächst so benutzt werden wird. Für derartige Erwägungen bestand im vorliegenden Fall deshalb Veranlassung, weil das BPatG - in anderem Zusammenhang - festgestellt hat, daß die Worte Micro channel nicht etwa zur Bezeichnung besonders kleiner Kanäle verwendet würden, sondern sich als Bezeichnung einer neuen Bus-Schnittstelle in Personal-Computern der Anmeldering eingebürgert hätten und synonym für so ausgerüstete Computer benutzt würden. Beruht mithin der vom BPatG angenommene beschreibende Gehalt des angemeldeten Zeichens nicht auf entsprechenden Begriffsinhalten der in ihm verwendeten Wörter, sondern (allein) darauf, daß sich eine derartige Bezeichnung für die vorerwähnten Schnittstellen und die mit ihnen ausgerüsteten Geräte "eingebürgert" hat, kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Verwendung des angemeldeten Zeichens in den Fachpublikationen trotz des damit einhergehenden Hinweises auf die substantielle Beschaffenheit und Arbeitsweise so ausgerüsteter Computer zeichenmäßig erfolgt ist und vom angesprochenen Verkehr auch so verstanden wird.

      Das BPatG hat zur Frage der beschreibenden Benutzung des angemeldeten Zeichens zwar aufgrund einer Notiz in der US-amerikanischen Zeitschrift "Computer" vom Oktober 1989 festgestellt, daß eine Firma W. L. "den PC-kompatiblen Markt mit der Einführung eines PCs auf Micro Channel Architecture betreten habe". Diese Feststellung kann jedoch, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht ausführt, der Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden, weil die vom BPatG angeführte Textstelle - in vollständigem Umfang übersetzt - lediglich besagt, die vorerwähnte Firma habe sich mit drei ATkompatiblen PCs und einem Micro channel Architecture kompatiblem PC auf den Markt begeben, mithin keinen Anhalt dafür ergibt, daß ein Wettbewerber der Anmelderin das angemeldete Zeichen in der vom BPatG angenommenen Weise beschreibend benutzt.

      Auf der bisherigen tatsächlichen Grundlage ist demnach die Annahme des BPatG, das angemeldete Zeichen sei als beschreibende Angabe oder Gattungsbezeichnung freihaltebedürftig, nicht gerechtfertigt.

  4. Auf die Rechtsbeschwerde war danach der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurückzuverweisen (§ 13 Abs. 5 WZG, § 108 Abs. 1 PatG).

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