I ZB 25/97 |
Verkündet am 8. Dezember 1999
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Bundesgerichtshof
Beschluss
in der Rechtsbeschwerdesache betreffend die Markenanmeldung Nr. 395 37 979.2
- Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des 26. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 5. März 1997 aufgehoben.
- Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
- Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000,-- DM festgesetzt.
G r ü n d e
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Mit ihrer am 16. September 1995 eingereichten Anmeldung begehrt die Anmelderin die Eintragung der nachfolgend dargestellten Marke für "Bier, alkoholfreies Bier, alkoholarmes Bier" in das Markenregister. Es handelt sich dabei nach der Angabe der Anmelderin um die Übertragung der Worte "St. Pauli Girl" in chinesische Schriftzeichen.
Die zuständige Markenstelle des Deutschen Patentamts hat der angemeldeten Marke die Eintragung wegen fehlender Unterscheidungskraft versagt.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin ist erfolglos geblieben.
Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin den Eintragungsantrag weiter.
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Das Bundespatentgericht hat das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für gegeben erachtet und dazu ausgeführt:
Maßgeblich für die Bejahung oder Verneinung der Unterscheidungskraft sei die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise. Breite Verbraucherschichten erkennten in dem angemeldeten Zeichen zwar durchweg die Abbildung von fünf fernöstlichen Schriftzeichen. Sie wüßten jedoch angesichts der äußerst geringen Bekanntheit fernöstlicher Schriften in Deutschland nicht, aus welchem Land und welcher Sprache die Schriftzeichen stammten; sie könnten diesen Schriftzeichen auch keine konkrete Aussage entnehmen. Folglich könnten sie regelmäßig auch nur Vermutungen darüber anstellen, ob es sich bei den Schriftzeichen um eine Angabe über die Art des Produkts, dessen Eigenschaften, die Firmenbezeichnung oder etwa um die Marke handele. Der Anteil des deutschen Verkehrs, der die entsprechenden fernöstlichen Schriftzeichen kenne und verstehe, sei demgegenüber auch heute noch vernachlässigbar gering.
Die Eignung, die Waren eines Unternehmens von denen anderer ihrer betrieblichen Herkunft nach zu unterscheiden, besitze ein Zeichen nur dann, wenn es zumindest eine solche Merkfähigkeit aufweise, daß es dem Käufer - ohne daß er sich an sämtliche Details des Zeichens müsse erinnern können - möglich sei, auch aus der regelmäßig eher unsicheren Erinnerung heraus seine Marke wiederzufinden. Dies setze ein Mindestmaß an Einprägsamkeit voraus, die ein unverzichtbarer Bestandteil der Unterscheidungskraft sei. Diese Einprägsamkeit könne zwar auch fernöstlichen Schriftzeichen im Einzelfall zukommen. Da sich der deutsche Verkehr angesichts der fehlenden Kenntnisse über die Bedeutung und Zusammensetzung dieser Schriftzeichen diese nur anhand ihrer konkreten Ausgestaltung und somit ihrer Bildwirkung einzuprägen vermöge, fehle es an der erforderlichen Einprägsamkeit um so mehr, je größer die Zahl der Schriftzeichen innerhalb einer Marke sei und je weniger diese für den Verkehr ohne weiteres erkennbare Besonderheiten, beispielsweise in Form einer Anlehnung an lateinische Buchstaben, an Gegenstände oder Symbole aufweise. Fehle es an der erforderlichen Einfachheit und an den notwendigen Wiedererkennungsmerkmalen, so könne nicht mehr davon ausgegangen werden, daß ein beachtlicher Teil des deutschen Verkehrs in der Lage sei, solche Schriftzeichen aus der Erinnerung heraus wiederzuerkennen, geschweige denn, diese von anderen ebensowenig einprägsamen Schriftzeichen zu unterscheiden. Gegen die Annahme einer Unterscheidungskraft umfangreicher, keine besonderen Wiedererkennungsmerkmale aufweisender fernöstlicher Schriftzeichen spreche auch der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wiederholt herausgestellte Erfahrungssatz, daß der Verkehr eine Marke in der Regel so aufnehme, wie sie ihm entgegentrete, ohne daß eine analysierende, möglichen Bestandteilen und/oder deren Begriffsbedeutung nachgehende Betrachtungsweise Platz greife.
Hiervon ausgehend komme der angemeldeten Marke nicht die notwendige Merkfähigkeit und damit nicht die erforderliche Unterscheidungskraft zu. Sie bestehe aus fünf nebeneinander angeordneten Schriftzeichen, die zwar alle höchst unterschiedlich seien, die aber sämtlich keine besonders auffälligen, weil an einen Gegenstand oder an einen lateinischen Buchstaben erinnernden Konturen aufwiesen. Es könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, daß der Verkehr diese Schriftzeichen als Marke verstehe oder er sie sich, falls er in ihnen doch einen betrieblichen Herkunftshinweis zu erkennen glaube, so einprägen könne, daß er auch bei einem Folgekauf noch in der Lage wäre, sie von anderen, abweichenden Schriftzeichen zu unterscheiden.
Das Fehlen eines Freihaltungsbedürfnisses an der hinter den Schriftzeichen stehenden Bezeichnung "St. Pauli Girl" oder an den Schriftzeichen als solchen rechtfertige kein anderes Ergebnis. Zwar bestehe zwischen den Schutzhindernissen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis dergestalt, daß die Anforderungen an die Unterscheidungskraft eher niedriger anzusetzen seien, wenn ein Freihaltungsbedürfnis nicht bestehe. Im Streitfall sei jedoch davon auszugehen, daß der Verkehrsteil, der sich die angemeldete Marke zur betrieblichen Herkunftsunterscheidung merken und sich aus der Erinnerung heraus beim Kauf an ihr orientieren könne, vernachlässigenswert klein und damit für die Beurteilung der Unterscheidungskraft unbeachtlich sei. Das von der Anmelderin hervorgehobene Bedürfnis an der Eintragung von Marken, die aus fernöstlichen Schriftzeichen bestünden, weil die entsprechenden Eintragungen als Basismarke für eine internationale Registrierung benötigt würden, könne die erforderliche Unterscheidungskraft für den deutschen Verkehr nicht begründen. Es stehe der Anmelderin frei, eine derartige nur für den Export in fernöstliche Staaten bestimmte Marke in anderer Weise - etwa gemeinsam mit einem Bild oder einem sonstigen unterscheidungskräftigen Bestandteil - anzumelden.
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Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Annahme des Bundespatentgerichts, dem angemeldeten Zeichen fehle jede Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Unausgesprochen ist das Bundespatentgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß die angemeldete Marke abstrakt geeignet ist, Waren eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden, und damit markenfähig im Sinne von § 3 Abs. 1 MarkenG ist (vgl. BPatG GRUR 1997, 53).
In nicht zu beanstandender Weise hat das Bundespatentgericht bei der Beurteilung der konkreten Unterscheidungseignung der angemeldeten Marke für die im Warenverzeichnis enthaltenen Waren (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) des weiteren angenommen, daß es für die Frage, ob der Marke jegliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise ankommt (BGH, Beschl. v. 5.11.1998 - I ZB 12/96, GRUR 1999, 495, 496 = WRP 1999, 526 - Etiketten, m.w.N.).
Dem Bundespatentgericht kann jedoch nicht darin beigetreten werden, daß ein Zeichen nur dann Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG besitze, wenn es zumindest eine solche "Merkfähigkeit" aufweise, daß es dem Verkehr möglich sei, auch aus der regelmäßig eher unsicheren Erinnerung heraus die Marke wiederzufinden.
Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die der Anmeldung zugrunde liegenden Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Hierbei ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, das heißt, jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. Begr. z. Reg.Entw., BT-Drucks. 12/6581, S. 70 = BlPMZ 1994, Sonderheft S. 64). Dabei ist, wie das Bundespatentgericht in anderem Zusammenhang zutreffend angeführt hat, davon auszugehen, daß der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, und es keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht (vgl. BGH, Beschl. v. 19.1.1995 - I ZB 20/92, GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH; Beschl. v. 22.9.1999 - I ZB 19/97 - FÜNFER, Umdr. S. 7).
Kann einer Wortmarke für die in Frage stehenden Waren kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein so gebräuchliches Wort der deutschen oder einer sonst im Inland geläufigen Sprache, daß es vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung (vgl. BGH, Beschl. v. 6.11.1997 - I ZB 17/95, WRP 1998, 495, 496 - Today) - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß einem als Marke verwendeten Wortzeichen die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH, Beschl. v. 15.7.1999 - I ZB 16/97, WRP 1999, 1167, 1168 f. = MarkenR 1999, 349 - YES, m.w.N.).
Nichts anderes gilt für ein als Marke angemeldetes Bildzeichen, worum es im Streitfall geht. So ist die naturgetreue bildliche Wiedergabe der im Warenverzeichnis genannten Ware als bloß beschreibende Angabe ebensowenig geeignet, die Ware ihrer Herkunft nach zu individualisieren (BGH, Beschl. v. 10.4.1997 - I ZB 1/95, GRUR 1997, 527, 528 = WRP 1997, 755 - Autofelge; GRUR 1999, 495, 496 = WRP 1999, 526 - Etiketten, m.w.N.) wie einfachste geometrische Formen oder sonstige einfache graphische Gestaltungselemente, die - wie dem Verkehr aus Erfahrung bekannt ist - in der Werbung aber auch auf Warenverpackungen oder sogar Geschäftsbriefen üblicherweise in bloß ornamentaler, schmückender Form verwendet werden (vgl. Fezer, Markenrecht, 2. Aufl., § 8 Rdn. 65 ff.; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 8 Rdn. 44). Weitere, über die Unterscheidungseignung in diesem Sinne hinausgehende Anforderungen können an Bildzeichen ebensowenig gestellt werden wie an Wortzeichen, bei denen insbesondere eine Prüfung darauf, mit welcher Mühe sich die Marke im Sinne der Möglichkeit eines Wiedererkennens einprägen läßt, nicht stattfindet (vgl. z.B.: BGHZ 131, 122 - Innovadiclophlont; BGH, Beschl. v. 5.5.1994 - I ZB 6/92, GRUR 1994, 803 - TRILOPIROX; Beschl. v. 19.10.1994 - I ZB 10/92, GRUR 1995, 48 - Metoproloc). Aber auch bei Bildzeichen wird der vom Bundespatentgericht im Streitfall angelegte Maßstab der Eignung des Zeichens, vom Verkehr erinnert zu werden, bei der Prüfung der Unterscheidungskraft nicht zugrunde gelegt. Selbst bei komplexen Zeichen wie beispielsweise Flaschenetiketten mit einer Vielzahl von Wort- und/oder Bildelementen bedarf es der Beurteilung der Merkbarkeit im vorgenannten Sinne nicht. Hierzu besteht vor allem auch deshalb kein Anlaß, weil eine derartige Eignung von Marken bei den Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise individuell ganz unterschiedlich ausgeprägt ist und sich einer Feststellung im registermäßigen Eintragungsverfahren weitgehend entzieht (vgl. BPatG GRUR 1997, 53, 54). Weder dem deutschen Markengesetz noch den ihm zugrunde liegenden Vorschriften der Markenrichtlinie oder der Pariser Verbandsübereinkunft läßt sich demgemäß ein Anhalt für ein derartiges Erfordernis für die Bejahung der Unterscheidungskraft entnehmen.
Der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts, nach der unter der Geltung des Warenzeichengesetzes einer aus fernöstlichen Schriftzeichen bestehenden Marke die erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen wurde, weil sich derartige Marken nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand einprägen ließen (vgl. BPatGE 29, 218, 220; 30, 156), kann deshalb jedenfalls für die Rechtslage nach Inkrafttreten des Markengesetzes nicht beigetreten werden. Aber auch die Annahme des Bundespatentgerichts im angefochtenen Beschluß (vgl. auch BPatGE 35, 114, 116), daß die Unterscheidungskraft jedenfalls bei komplexeren Marken mit einer größeren Anzahl von Schriftzeichen - wie im Streitfall - zu verneinen sei, stellt Anforderungen an die Unterscheidungskraft, die der gesetzlichen Regelung nicht entnommen werden können. Die Verneinung der Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens kann deshalb keinen Bestand haben.
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Danach war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 MarkenG).