I ZB 22/98 |
Verkündet am 11. Mai 2000
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Bundesgerichtshof
Beschluss
in der Rechtsbeschwerdesache betreffend die Markenanmeldung Nr. 39 500 611.2
- Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des 30. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 2. Februar 1998 aufgehoben.
- Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. .
- Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 50.000 DM festgesetzt.
G r ü n d e
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Die Anmelderin begehrt mit ihrer am 10. Januar 1995 eingereichten Anmeldung die Eintragung der Wortmarke
RATIONAL SOFTWARE CORPORATION
für die Waren
"Computer-Software zur Verwendung auf dem Gebiet der Programmierwerkzeuge; Computer-Software auf dem Gebiet der Entwurfsunterstützungswerkzeuge; Computer-Software auf dem Gebiet des CAE und der computerunterstützenden Software-Entwicklung (CASE); Computerprogramme und -hardware zur Schaffung einer sicheren Mehr-Ebenen-Kommunikation zwischen Computern; Terminals und Drucker für lokale Netzwerke; Computerprogramme zur Entwicklung von Computersprachsystemen; Computerprogramme in Form von Compilern; sämtliche vorstehenden Waren soweit in Klasse 9 enthalten; Bedienungsanleitungen und Benutzerhandbücher für die vorstehenden Waren in Klasse 9".
Die zuständige Markenstelle des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen.
Die Beschwerde der Anmelderin ist erfolglos geblieben.
Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren weiter.
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Das Bundespatentgericht hat das Zeichen aufgrund der Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG als von der Eintragung ausgeschlossen angesehen und zur Begründung ausgeführt:
"Rational" sei ein vom lateinischen ratio abgeleitetes Wort der deutschen Sprache, das sich nicht mit einem einzigen Wort deckungsgleich übersetzen lasse und nur mit sinnähnlichen Wörtern umschrieben werden könne. "Rational" bezeichne eine Eigenschaft, die im Sinn von logisch, verstandesbetont, vernünftig, schlußfolgernd für die angemeldeten Waren des EDV-Bereichs als Inhalts- und Qualitätsangabe beschreibend sei.
"Software" sei ein Begriff, der in die deutsche Sprache übernommen worden sei und sich nicht direkt übersetzen lasse. Darunter würden die zum Betrieb einer EDV-Anlage erforderlichen nicht apparativen Funktionsbestandteile verstanden. Dieser Zeichenteil sei nur geeignet, einen großen Teilbereich der Waren ausdrücklich oder sinngemäß zu bezeichnen oder als Bestimmungs- oder Inhaltsangabe zu dienen.
"Corporation" sei auch im Deutschen bekannt und werde aufgrund seiner allgemeinsprachlichen Bedeutung als "Gesellschaft" verstanden.
Die Kombination der drei isoliert nicht schutzfähigen Wörter führe nicht zu einer Schutzfähigkeit des Gesamtzeichens. Die Einzelwörter seien ihrem ursprünglichen Sinn entsprechend aneinandergereiht. Der Kombination könne kein individuell prägender Eindruck entnommen werden. Reine Firmenbezeichnungen, wie Corporation, seien als gesellschaftsrechtliche Zusätze ohne markenrechtliche Kennzeichnungskraft anzusehen. Software bezeichne den Unternehmensgegenstand und werde in Verbindung mit der Gesellschaftsform verstanden.
Das Eintragungsbegehren könne auch nicht wegen der Registrierung des angemeldeten Zeichens in anderen Ländern Erfolg haben. Bei Wörtern, die Bestandteil der deutschen Sprache seien, habe die ausländische Registrierung keine indizielle Bedeutung. In Anbetracht von jährlich über 50.000 Markenanmeldungen könne das Deutsche Patentamt zudem die rechtliche Bewertung in anderen Staaten nicht berücksichtigen.
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Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
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Die Annahme des Bundespatentgerichts, der angemeldeten Wortfolge fehle jede Unterscheidungskraft i.S. des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die der Anmeldung zugrundeliegenden Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden (vgl. BGH, Beschl. v. 19.1.1995 - I ZB 20/92, GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH; Beschl. v. 15.7.1999 - I ZB 47/96, GRUR 1999, 1093, 1094 = WRP 1999, 1169 - FOR YOU; Beschl. v. 15.7.1999 - I ZB 16/97, GRUR 1999, 1089, 1091 = WRP 1999, 1167 - YES). Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. Begr. zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/6581, S. 70 = BlPMZ 1994, Sonderheft, S. 64). Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß ihr die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH GRUR 1999, 1089, 1091 - YES).
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Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft i.S. des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt das Zeichen "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION".
Das Bundespatentgericht hat im vorliegenden Fall nicht ausreichend berücksichtigt, daß der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer zergliedernden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. BGH, Beschl. v. 7.6.1996 - I ZB 10/94, GRUR 1996, 771, 772 = WRP 1996, 1160 - THE HOME DEPOT; Beschl. v. 8.12.1999 - I ZB 25/97, GRUR 2000, 502, 503 = WRP 2000, 520 - St. Pauli Girl, jeweils m.w.N.). Deshalb ist auch bei aus mehreren Wörtern bestehenden Marken das Vorliegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für die Wortfolge in ihrer Gesamtheit festzustellen (vgl. für einen Werbeslogan: BGH, Beschl. v. 8.12.1999 - I ZB 21/97, GRUR 2000, 323, 324 = WRP 2000, 300 - Partner with the Best).
In diesem Zusammenhang beanstandet die Rechtsbeschwerde zu Recht die Annahme des Bundespatentgerichts, in dem Gesamtzeichen seien die Einzelwörter in ihrem ursprünglichen Sinn aneinandergereiht und wiesen keinen individuell prägenden Eindruck auf. Das Gesamtzeichen hat vielmehr bezogen auf die angemeldeten Waren keinen rein beschreibenden Begriffsinhalt. Es ist vielmehr von interpretationsbedürftiger Mehrdeutigkeit.
Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts ist "RATIONAL" nicht mit einem einzigen Wort zu übersetzen. Es kann nur mit sinnähnlichen Wörtern verständlich gemacht werden. Sein Bedeutungsinhalt wird mit der Übersetzung "vernünftig" nicht ausgeschöpft, sondern ist im Sinne von "logisch", "verstandesbetont", "vernünftig" und "schlußfolgernd" zu verstehen. Die Wörter logisch (im Sinne von folgerichtig, denknotwendig), verstandesbetont, vernünftig und schlußfolgernd sind aber für die konkret angemeldeten Waren aus dem Bereich Computer-Software und -Hardware nicht beschreibend. Für die gegenteilige Annahme des Bundespatentgerichts fehlen konkrete Feststellungen.
Zudem bezieht sich, wie das Bundespatentgericht festgestellt hat, "RATIONAL" in dem angemeldeten Zeichen weder auf "SOFTWARE" noch auf "CORPORATION". Denn "RATIONAL" wird in dem Zeichen nicht als Adjektiv zu "SOFTWARE" oder zu "CORPORATION" in Beziehung gesetzt. Besteht aber keine gedankliche Verbindung zwischen "RATIONAL" einerseits und "SOFTWARE CORPORATION" andererseits und weist der Zeichenbestandteil "RATIONAL" verschiedene für die Waren nicht beschreibende Bedeutungen auf, kommt dem angemeldeten Zeichen kein rein beschreibender Begriffsinhalt zu. Vielmehr weist die Wortmarke aufgrund der Verknüpfung von "RATIONAL" und "SOFTWARE CORPORATION" eine gewisse Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit auf, die der Annahme, dem Zeichen fehle jede Unterscheidungskraft, entgegensteht (vgl. BGH GRUR 2000, 323, 324 - Partner with the Best; Beschl. v. 10.2.2000 - I ZB 37/97, GRUR 2000, 720, 721 f. = WRP 2000, 739 - Unter Uns; Beschl. v. 24.2.2000 - I ZB 13/98, GRUR 2000, 722, 723 = WRP 2000, 741 - LOGO).
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Die Beurteilung des Bundespatentgerichts, an dem angemeldeten Zeichen bestehe ein die Eintragung hinderndes Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG), hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand.
Das Bundespatentgericht hat die Bezeichnung "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION" für die in Rede stehenden Waren als freihaltungsbedürftige Sachangabe angesehen.
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Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die nur aus Angaben bestehen, die im Verkehr (u.a.) zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren (oder Dienstleistungen) dienen können. Dabei ist bei der Prüfung dieses Schutzhindernisses auch ein aktuell noch nicht bestehendes, jedoch aufgrund konkreter Tatsachen mit hinreichender Sicherheit prognostizierbares zukünftiges Freihaltebedürfnis zu beachten (vgl. BGH, Beschl. v. 18.3.1999 - I ZB 27/96, GRUR 1999, 988, 989 = WRP 1999, 1038 - HOUSE OF BLUES; BGH GRUR 1999, 1093, 1094 - FOR YOU).
Auch bei der Annahme des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG hat das Bundespatentgericht nicht hinreichend beachtet, daß die Wortfolge in ihrer Gesamtheit der Beurteilung zugrunde zu legen und keine zergliedernde Analyse vorzunehmen ist (vgl. BGH GRUR 1996, 771, 772 - THE HOME DEPOT; Beschl. v. 19.6.1997 - I ZB 7/95, GRUR 1998, 394, 396 = WRP 1998, 185 - Active Line). Entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts besteht insoweit auch kein Widerspruch zwischen den Entscheidungen des Bundesgerichtshofes "COTTON LINE" (BGH, Urt. v. 27.9.1995 - I ZR 199/93, GRUR 1996, 68, 69 = WRP 1997, 446), "THE HOME DEPOT" (BGH GRUR 1996, 771, 772) und "Active Line" (BGH GRUR 1998, 394, 396), die die Beurteilung der kennzeichnungsrechtlichen Unterscheidungskraft eines Firmenschlagwortes ("COTTON LINE") und des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ("THE HOME DEPOT" und "Active Line") zum Gegenstand haben und in denen jeweils auf das Kennzeichen in seiner Gesamtheit oder - was dem entspricht - auf die Verbindung der Wörter abgestellt worden ist.
Das Bundespatentgericht hat für das gesamte Zeichen einen beschreibenden Inhalt nicht konkret festgestellt, sondern nur für die Einzelwörter. Dies reicht für die Annahme eines Freihaltebedürfnisses des angemeldeten Zeichens in seiner Gesamtheit nicht aus.
Zudem enthalten auch nicht sämtliche Kennzeichenbestandteile beschreibende Angaben. Der Begriff "RATIONAL" ist - wovon auch das Bundespatentgericht ausgeht - mehrdeutig und für die Waren, für die die Markenanmeldung erfolgt ist, nicht warenbeschreibend (vgl. III 1 b).
Konkrete Anhaltspunkte für ein sich in der Zukunft abzeichnendes Freihaltebedürfnis fehlen ebenfalls.
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Die Rechtsbeschwerde weist auch zu Recht darauf hin, das Bundespatentgericht habe dem Umstand, daß es sich bei dem angemeldeten Zeichen um eine Wortfolge der englischen Sprache handelt, die für die Anmelderin nach ihrem Vorbringen in den USA und in Großbritannien eingetragen ist, nicht die notwendige indizielle Bedeutung für das Fehlen eines Freihaltebedürfnisses beigemessen (vgl. BGH GRUR 1999, 988 f. - HOUSE OF BLUES, m.w.N.). Das Bundespatentgericht konnte die Bedeutung derartiger ausländischer Eintragungen nicht unter Hinweis darauf außer acht lassen, die einzelnen Wörter des angemeldeten Zeichens seien Bestandteil der deutschen Sprache. Bei diesen auf den "Premiere"-Beschluß des Bundesgerichtshofes gestützten Erwägungen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.5.1993 - I ZB 7/91, GRUR 1993, 746 = WRP 1994, 385) hat das Bundespatentgericht außer acht gelassen, daß in der genannten Entscheidung eine indizielle Wirkung von Auslandseintragungen nur deswegen verneint worden ist, weil das Fremdwort "Premiere" mit einem von der Bedeutung in der Fremdsprache abweichenden Bedeutungsgehalt in die deutsche Sprache übernommen worden ist. Eine vergleichbare Sachlage hat das Bundespatentgericht im vorliegenden Fall nicht festgestellt.
Schließlich steht der indiziellen Bedeutung derartiger Auslandseintragungen auch die vom Bundespatentgericht angeführte Zahl von jährlich 50.000 Markenanmeldungen beim Deutschen Patentamt nicht entgegen. Diese absolute Zahl aller Markenanmeldungen sagt nichts aus über die Anzahl der Fälle, in denen Auslandseintragungen wegen der vorgenannten indiziellen Bedeutung in Betracht zu ziehen sind, und über Schwierigkeiten bei der Bewertung dieser Voreintragungen, zumal nach dem Vorbringen der Anmelderin eine der im Streitfall maßgeblichen Voreintragungen im Geltungsbereich der Markenrechtsrichtlinie, und zwar in Großbritannien, erfolgt ist.
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Danach war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache gemäß § 89 Abs. 4 MarkenG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.