Heutzutage wird ionisierende Strahlung in der Medizin in den unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt. Ein breiter Anwendungskreis ist zum einen der Einsatz in der Krebstherapie zur Bekämpfung von Tumoren, zum anderen aber auch bei Röntgenaufnahmen zur Diagnoseerstellung. Bei letzterem bleibt es oftmals allein dem Arzt überlassen, ob und in welchem Umfang er Röntgenaufnahmen von dem Patienten anfertigen läßt. Der Patient selbst wird häufig nur darüber informiert, daß von ihm eine Röntgenaufnahme gemacht werden soll. Ob diese Aufnahmen tatsächlich notwendig ist oder ob alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden, damit es nicht zu einer Schädigung anderer Organe durch die Strahleneinwirkung kommt, wird nur allzuoft seitens des Patienten dem Arzt und dem medizinischen Personal überlassen. Das gesunde Vertrauen des Patienten gegenüber dem Arzt läßt zumeist keinen Zweifel daran aufkommen, daß die Röntgenaufnahme medizinisch notwendig ist. Trotzdem sollte sich auch der Patient im eigenen Interesse darüber informieren und auch den Arzt nach einer Notwendigkeit befragen. Denn auf die Dauer kann auch eine übermäßige Belastung mit Röntgenstrahlen zu Gesundheitsschäden beim Patienten führen. Überlegt man sich nun, daß ein Patient auch während seines Lebens zu mehreren verschieden Ärzten geht, die ggf. auch unabhängig voneinander Röntgenaufnahmen machen, ist es sinnvoll, den jeweiligen Arzt darüber zu informieren, wieviele Aufnahmen bereits in der letzten Zeit gemacht wurden. Sinnvoll ist hier das Führen eines sog. Röntgenpasses, in den die Daten der Aufnahmen eingetragen werden. Im übrigen ist der Arzt auch von sich aus gemäß § 43 Abs. 1 Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) dazu verpflichtet, den Patienten über vorangegangene Röntgenuntersuchungen zu befragen. Ein Röntgenpaß, der bei allen Krankenversicherungen erhältlich ist, erleichtert da die Dokumentation. Auch ist es für den Fall, daß man den Arzt während einer laufenden Behandlung wechselt, wichtig, sich eventuell bereits erstellten Röntgenaufnahmen mitgeben zu lassen, um erneute unnötige Röntgenbelastungen zu vermeiden.
Allerdings müssen Röntgenaufnahmen stets medizinisch indiziert,
d.h. notwendig sein, da sie den Körper auch in einer bestimmten Weise
belasten und auf die Dauer, wie alle radioaktiven Strahlen, schädlich
sind. Röntgenaufnahmen dürfen daher nicht willkürlich gemacht
werden (§ 42 Abs. 1 StrlSchV). Gibt es aber eine Grenze der
zulässigen Anzahl von Röntgenaufnahmen und macht sich der Arzt
eventuell auch strafbar, wenn er Röntgenaufnahmen machen läßt,
obwohl sie nicht notwendig sind?
Eine genaue Anzahl, bis zu der Röntgenaufnahmen zulässig
sind, gibt es nicht. Manchmal kann es tatsächlich medizinisch notwendig
sein, mehrere Aufnahmen machen zu müssen. Tatsache ist aber, daß
Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern mit
an der Spitze der Röntgenaufnahmen steht. Ob alle diese gemachten
Aufnahmen wirklich medizinisch notwendig waren, mag einmal dahingestellt
bleiben. Eine Nachfrage beim behandelnden Arzt kann jedenfalls nicht schaden.
Man sollte sich aber auch nicht allzuleicht durch ein "ja, daß ist
notwendig" abfertigen lassen, sondern sich genau über die Notwendigkeit
informieren lassen, wozu der Arzt wegen der gesetzlichen Aufklärungspflicht
verpflicht ist.
Wie steht es nun, wenn man das Gefühl hat, daß der Arzt
nun doch mehr Aufnahmen gemacht, als medizinisch vielleicht notwendig waren?
Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom Dezember 1997 festgestellt,
daß ein Arzt, der medizinisch nicht indizierte Röntgenaufnahmen
macht, unter Umständen den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung
nach § 223 a StGB verwirklichen kann. Es bleibt jedoch stets eine
Frage des Einzelfalles, ab welcher Anzahl eine gefährliche Körperverletzung
tatsächlich vorliegt. Der BGH hat in seiner Entscheidung aber betont,
daß eine Körperverletzung auch dann vorliegen kann, wenn nach
außen hin keinerlei Veränderungen feststellbar sind. Allein
die gesicherte Tatsache, daß sich radioaktive Strahlen auf den menschlichen
Körper, wenn nicht auch unmittelbar, aber zumindestens in absehbarer
Zeit, negativ auswirken und zu Veränderungen und sogar Krebs führen
können, reicht aus, um von einer Körperverletzung durch Röntgenaufnahmen
sprechen zu können.
Sollte der Patient nun die Befürchtung haben, die Anzahl der gemachten
Aufnahmen nicht nachweisen zu können, so sei an dieser Stelle bemerkt,
daß der Arzt dazu verpflichtet ist, alle erforderlichen Daten über
die Behandlung genauestens zu dokumentieren. Aus ihnen läßt
sich dann später der genaue Ablauf der Strahlenbehandlung ersehen.
Um keinen falschen Eindruck zu erwecken:
Sicherlich kann es medizinisch notwendig sein, bei einer Untersuchung
mehrere Röntgenaufnahmen machen zu müssen. Nur muß sich
der Patient, auch im Interesse seiner eigenen Gesundheit, stets darüber
im klaren sein, welche Maßnahmen seitens des Arztes ergriffen werden
und welche Auswirkungen diese auf den Patienten haben. Nur so kann gesichert
werden, daß nichts gegen den Willen des Patienten geschieht und er
stets über alles, was abläuft, im Bilde ist.
Noch eine wichtige Bemerkung am Schluß:
Schließlich sollte der Patient während der Vorbereitung
zur Röntgenaufnahme genauestens darauf achten und gegebenenfalls das
medizinische Hilfspersonal darauf aufmerksam machen, daß Körperstellen,
die nicht geröntgt werden sollen, durch geeignete Schutzabdeckungen
gemäß der Strahlenschutzverordnung abgedeckt werden. Denn nicht
selten kommt es vor, daß dies nur unzureichend geschieht.