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mitgeteilt von RA Boris Hoeller ( HOELLER Rechtsanwälte )

I ZR 55/97 Verkündet am 3. November 1999

*
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle

Bundesgerichtshof

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

  • *

    Klägerin


g e g e n
  • *

    Beklagte



Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. * und die Richter Prof. Dr. *, Dr. v. *, * und *
für R E C H T erkannt
  1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Januar 1997 aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  3. Von Rechts wegen

T a t b e s t a n d

Die Klägerin war bis Ende 1993 für die Beklagte, deren Geschäftsgebiet die Baubeschlagtechnik und die Herstellung von Bauelementen ist, als Werbeagentur tätig. Sie erstellte das Konzept und die Werbevorlagen für eine Serie von vier Anzeigen für Produkte der Baubeschlagtechnik und eine Serie von sechs Anzeigen für Wohndachfenster. Den Mittelpunkt jeder Anzeige bildet ein Porträtfoto. Für ihre Tätigkeit erhielt die Klägerin ab Mitte Juni 1993 bis zum Jahresende eine monatliche Vergütung von 25.000,-- DM. Zum Abschluß eines schriftlichen Vertrages kam es nicht.

Nach dem Ende der Zusammenarbeit veröffentlichte die Beklagte weiterhin von der Klägerin erstellte Werbeanzeigen aus den beiden Serien in verschiedenen Zeitschriften, und zwar (mindestens) vier Anzeigen im "Focus", fünf in "Der Spiegel" und zwei im "stern". Im übrigen ist der Umfang der Benutzung streitig.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei Alleininhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den Werbevorlagen; der Beklagten seien solche Rechte für die Zeit nach dem Ende der Zusammenarbeit auch nicht stillschweigend eingeräumt worden. Sie verlangt von der Beklagten Schadensersatz für die Nutzung der von ihr erstellten Werbevorlagen in Form einer angemessenen Vergütung. Die übliche Vergütung für die Benutzung der Werbemittel einer Werbeagentur sei eine Gebühr von 15 % bezogen auf den Netto-Streuetat. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin 80 % der so errechneten Vergütung.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 69.388,56 DM nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, sie sei nicht verpflichtet, die weitere Nutzung der Werbevorlagen in den Medien zu vergüten. Die Werbevorlagen seien keine urheberrechtlich geschützten Werke. Jedenfalls seien ihr gegen das gezahlte Pauschalhonorar zeitlich unbegrenzte Nutzungsrechte auch für die Zeit nach dem Ende der Zusammenarbeit eingeräumt worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt; im Lauf des Berufungsverfahrens hat sie ihre Klageforderung auf 78.954,84 DM nebst Zinsen erhöht. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (OLG Düsseldorf AfP 1997, 645).

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

  1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, im Berufungsverfahren sei unstreitig geworden, daß eine Vergütung über das bereits gezahlte Honorar hinaus nicht vereinbart worden sei. Der Klägerin stehe wegen der Verwendung der Werbevorlagen aber auch kein Anspruch aus Urheberrechtsverletzung oder aus ungerechtfertigter Bereicherung zu. Das Konzept der von der Klägerin erstellten Anzeigenkampagne sei als solches nicht urheberrechtsschutzfähig. Aber auch die einzelnen Werbeanzeigen als solche wiesen nicht die erforderliche Gestaltungshöhe auf, und zwar weder hinsichtlich der Porträtfotos noch ihrer Texte.

  2. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

    Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß die Klägerin für die Werbekonzeption der Anzeigenserien keinen urheberrechtlichen Schutz genieße, ist allerdings rechtsfehlerfrei und wird von der Revision auch nicht angegriffen. Ebenso läßt die tatrichterliche Beurteilung, daß ein Urheberrechtsschutz für die einzelnen Anzeigen nicht aus den Texten der Anzeigen und der Art und Weise ihrer Verbindung mit den verwendeten Fotos hergeleitet werden könne, keinen Rechtsfehler erkennen. Dies zieht auch die Revision nicht in Zweifel. Das Berufungsgericht hat aber - wie von der Revision zu Recht beanstandet - übersehen, daß der Klägerin wegen der Benutzung der in die Werbeanzeigen eingefügten Fotos jedenfalls Ansprüche aus Lichtbildschutz (§§ 72, 97 Abs. 1 UrhG, § 812 BGB) zustehen können, wenn diese nicht als Lichtbildwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) schutzfähig sein sollten.

    1. Mit der Berufung auf den Schutz der verwendeten Fotos als Lichtbilder (§ 72 UrhG) macht die Klägerin - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - nicht unzulässig erstmals im Revisionsverfahren einen neuen prozessualen Anspruch geltend. Die Klage ist von Anfang an darauf gestützt worden, daß die Beklagte die für sie erstellten Werbevorlagen nach dem Ende der Zusammenarbeit unbefugt weiterverwendet habe. Die Klägerin hat in diesem Vorgehen nicht nur eine unbefugte Benutzung der - von ihr als urheberrechtlich schutzfähig angesehenen - Werbekonzeption, sondern zugleich eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den einzelnen Werbevorlagen gesehen. Die Klage war demgemäß von vornherein auch darauf gestützt, daß die Beklagte die für sie erstellten Werbevorlagen nach dem Ende der Zusammenarbeit unter Verletzung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte der Klägerin weiterverwendet habe. Dementsprechend hat das Berufungsgericht auch über die Frage entschieden, ob der Klageantrag mit Ansprüchen aus Verletzung von Urheberrechten an den einzelnen Anzeigen begründet werden kann. Die Frage, ob sich die Klägerin mangels eines urheberrechtlichen Schutzes für die verschiedenen Anzeigen mit den darin enthaltenen Fotos jedenfalls auf einen Lichtbildschutz für die Fotos stützen kann, betrifft lediglich einen weiteren zur Begründung des Klageantrags geltend gemachten materiell-rechtlichen Gesichtspunkt.

    2. Das Berufungsgericht hat es abgelehnt, einen Urheberrechtsschutz der Anzeigen aus den verwendeten Fotos herzuleiten. Es ist dabei davon ausgegangen, daß den Fotos urheberrechtlicher Schutz als Lichtbildwerken im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG nur zukommen könne, wenn sie eine eigenschöpferische Prägung und Gestaltung aufwiesen. Bei einem Gesamtvergleich mit den vorbestehenden Gestaltungen müßten sich schöpferische Eigentümlichkeiten ergeben, die über das Handwerksmäßige und Durchschnittliche deutlich hinausragten. In den Fotos offenbare sich jedoch kein besonderes fotografisches Können.

      Bei dieser Beurteilung ist das Berufungsgericht von Anforderungen an die Schutzfähigkeit von Fotografien ausgegangen, die jedenfalls seit dem 1. Juli 1995 nicht mehr gelten, d.h. dem Zeitpunkt, in dem die Richtlinie 93/98/EWG des Rates zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte vom 29. Oktober 1993 (ABl. Nr. L 290/9) nach ihrem Art. 13 Abs. 1 umzusetzen war und auch durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 23. Juni 1995 (BGBl. I S. 842) umgesetzt worden ist (Art. 3 Abs. 2 des 3. UrhG-ÄndG). Nach Art. 6 der Richtlinie sollen Fotografien geschützt werden, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, daß sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind (vgl. dazu auch Erwägungsgrund 17 der Richtlinie). Eines besonderen Maßes an schöpferischer Gestaltung bedarf es danach für den Schutz als Lichtbildwerk nicht (vgl. Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 2. Aufl., § 2 Rdn. 33, 179; Schricker/Vogel aaO § 72 Rdn. 21; Nordemann/Vinck in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., § 2 Rdn. 74; Hertin ebd. § 72 Rdn. 2; Heitland, Der Schutz der Fotografie im Urheberrecht Deutschlands, Frankreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika, 1995, S. 60 ff.; Platena, Das Lichtbild im Urheberrecht, 1998, S. 233 ff.; A. Nordemann/Mielke, ZUM 1996, 214, 216).

      Ob vor der Umsetzung der Richtlinie und damit bereits zu der Zeit, in der die behaupteten Schutzrechtsverletzungen stattgefunden haben sollen, bei Fotografien dieselben oder höhere Schutzanforderungen gegolten haben, ist umstritten (für ersteres insbesondere die Begründung des Regierungsentwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes, BT-Drucks. 13/781 S. 10 = BR-Drucks. 98/95 S. 19 f.; Vogel, ZUM 1995, 451, 455; a.A. W. Nordemann, NJW 1995, 2534, 2535; vgl. weiter zum Meinungsstand Heitland aaO S. 62 f.); einer Herabsetzung der Schutzanforderungen durch die Richtlinie käme für Verletzungshandlungen, die vor ihrer Umsetzung begangen worden sind, keine rückwirkende Kraft zu (vgl. dazu auch BGHZ 123, 208, 211 - Buchhaltungsprogramm).

    3. Die Frage, welche Schutzvoraussetzungen im Zeitpunkt der behaupteten Verletzungshandlungen für Lichtbildwerke gegolten haben, kann jedoch offenbleiben, weil die benutzten Fotografien jedenfalls als Lichtbilder im Sinne des § 72 UrhG geschützt sind. Für den Lichtbildschutz ist kein eigenschöpferisches Schaffen im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG erforderlich; es genügt vielmehr ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung, wie es in der Regel schon bei einfachen Fotografien gegeben ist (vgl. BGH, Urt. v. 8.11.1989 - I ZR 14/88, GRUR 1990, 669, 673 - Bibelreproduktion; Urt. v. 10.10.1991 - I ZR 147/89, GRUR 1993, 34, 35 = WRP 1992, 160 - Bedienungsanweisung). Gemessen daran ist auch den in den Werbeanzeigen enthaltenen Porträtfotos der Schutz des § 72 UrhG nicht abzusprechen.

  3. Die Abweisung der Klage kann nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand auch nicht aus anderen Gründen aufrechterhalten werden.

    1. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist die Klage, soweit sie auf die Verletzung von Schutzrechten an den in die Anzeigen aufgenommenen Fotos gestützt ist, nicht bereits deshalb als unschlüssig anzusehen, weil die Klägerin nur behauptet hat, alleinige Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den Werbevorlagen zu sein, nicht aber vorgetragen hat, in welcher Weise sie diese Nutzungsrechte erworben hat. Der Umfang der Darlegungslast hängt regelmäßig auch vom Prozeßverhalten der Gegenseite ab (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Urt. v. 21.1.1999 - VII ZR 398/97, NJW 1999, 1859, 1860; Urt. v. 18.5.1999 - X ZR 158/97, Umdr. S. 10). Die Beklagte hat in den Vorinstanzen nicht in Zweifel gezogen, daß die Klägerin, in deren Unternehmen die Werbevorlagen unstreitig erstellt worden sind, urheberrechtliche Nutzungsrechte an diesen erworben hat, falls solche bestehen sollten. Im Hinblick darauf war die Klägerin bisher nicht gehalten, Einzelheiten zur Art und Weise ihres Rechtserwerbs vorzutragen.

    2. Die Klage ist auch nicht bereits deshalb abweisungsreif, weil das Vorbringen der Klägerin zum Umfang der Nutzung der einzelnen Lichtbilder und zur angemessenen Vergütung für die Einzelnutzungen unvollständig ist. In gewissem Umfang ist unstreitig, daß die Beklagte Motive aus den Anzeigenserien der Klägerin für bestimmte Werbeanzeigen benutzt hat. Im übrigen wird die Klägerin im erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit haben, ihr Vorbringen und ihr Beweisangebot zu ergänzen. Dies ist schon deshalb erforderlich, weil ein nach den §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO erforderlicher Hinweis, daß auch Ansprüche aus § 97 Abs. 1 UrhG, § 812 BGB in Verbindung mit § 72 UrhG in Betracht kommen, im Berufungsverfahren unterblieben ist, weil das Berufungsgericht die Rechtslage insoweit nicht zutreffend gesehen hat (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 29.4.1993 - IX ZR 101/92, NJW 1993, 2045, 2047).

      Im Hinblick auf das Vorbringen der Revision ist vorsorglich darauf hinzuweisen, daß sich die Höhe eines etwaigen Schadensersatz- oder Bereicherungsanspruchs wegen unbefugter Nutzung von Lichtbildern, an denen der Klägerin Nutzungsrechte zustehen, nicht nach den Grundsätzen richtet, die für die Vergütung der Tätigkeit von Werbeagenturen gelten; auszugleichen ist vielmehr gegebenenfalls ein unbefugter Eingriff in Schutzrechte.

  4. Auf die Revision der Klägerin war danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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