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mitgeteilt von RA Boris Hoeller ( HOELLER Rechtsanwälte )

I ZR 176/96
OLG Braunschweig, LG Braunschweig
Verkündet am 5. November 1998

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Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

BUNDESGERICHTSHOF

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

  • *

    Kläger,


g e g e n
  • *

    Beklagte,



Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Dr. v. Ungern-Sternberg, Dr. Bornkamm und Pokrant für Recht erkannt:
für R E C H T erkannt
  1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 10. Oktober 1996 aufgehoben.
  2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 20. Februar 1996 wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen

T a t b e s t a n d

Der Kläger ist Inhaber des Hotels "Achterdiek" auf der Insel Juist.

Die Beklagte zu 1 betreibt auf der Insel L. ein "Aparthotel Achtert Diek", das in einem Werbeblatt auch einmal "Apart-Hotel 'Achterdiek'" genannt worden ist. Es ist streitig, ob auch die Beklagte zu 2 Betreiberin dieses Hotels ist.

Der Kläger sieht in der Verwendung der Bezeichnungen "Aparthotel Achtert Diek" und "Apart-Hotel 'Achterdiek'" für das Hotel auf L. eine Verletzung des am 3. März 1982 für die "Waren/Dienstleistungen: Beherbergung und Verpflegung von Gästen" in die Zeichenrolle eingetragenen und nachstehend abgebildeten Wort-/Bildzeichens Nr. 1030217 ("Achterdiek"):

Der Kläger hat das Zeichen nach eigenem Vorbringen in neuerer Zeit nur in abgewandelten Formen benutzt. Er hat zur Außenwerbung an seinem Hotel die Bezeichnung "Achterdiek" wie aus der nachstehenden Abbildung ersichtlich angebracht.

Im Briefkopf von Geschäftsbriefen sowie auf einem Hotelprospekt hat der Kläger weiterhin folgendes (nachstehend schwarz-weiß abgebildetes) Zeichen verwendet:

Schließlich hat der Kläger auch mit folgendem Zeichen (nachstehend "Silencehotel"-Zeichen genannt) geworben:

Der Kläger verlangt von den Beklagten, es zu unterlassen,

ihr Hotel in L. mit "Achterdiek" oder "Achtert Diek" zu bezeichnen; ferner begehrt er ihre Verurteilung zur Auskunftserteilung und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht.

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie haben bestritten, daß der Kläger Inhaber der Klagemarke ist. Diese sei auch nicht schutzfähig, weil die Bezeichnung "Achter Diek" der niederdeutschen Sprache entstamme und nichts anderes bedeute als "Hinter dem Deich". Die Klagemarke sei zudem löschungsreif, weil sie nicht in der eingetragenen Form benutzt worden sei. Die Beklagte zu 2 sei für die Benutzung der angegriffenen Bezeichnung nicht verantwortlich, weil sie auf die Namensgebung für das Hotel der Beklagten zu 1 keinen Einfluß habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht - nachdem der Kläger seinen Auskunftsanspruch eingeschränkt hatte - die Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beklagten mit ihrer Revision. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.

  1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, aufgrund der Eintragung des Klägers im Markenregister werde vermutet, daß er Inhaber der Marke sei. Die Beklagten hätten nichts zur Widerlegung der Vermutung vorgetragen.

    Aufgrund ihrer Eintragung im Register genieße die Klagemarke vollen Markenschutz. Es bestehe auch kein Anlaß, das Verfahren mit Rücksicht auf die von den Beklagten zwischenzeitlich erhobene Löschungsklage gemäß § 148 ZPO auszusetzen. Es sei nicht wahrscheinlich, daß dieses Verfahren zur Löschung der Klagemarke führen werde. Dem der niederdeutschen Sprache entlehnten Begriff "Achter Diek", der gleichbedeutend mit "Hinter dem Deich" sei, könne jedenfalls ein Mindestmaß an natürlicher Kennzeichnungskraft nicht abgesprochen werden. Für den mit der niederdeutschen Sprache Vertrauten lasse der Begriff zwar eine gewisse Lagebezeichnung anklingen; schon der Wechsel von der Hochsprache zum Dialekt und die fehlende Möglichkeit der Hochsprache, den hinter der Klagemarke stehenden Begriff in einer vergleichbar prägnanten und originellen Umschreibung wiederzugeben, brächten aber ein gewisses Maß an Individualisierungskraft mit sich. Dazu komme, daß das Zeichenwort der niederdeutschen Sprache nicht wörtlich entnommen sei, sondern seine prägenden Bestandteile unter Weglassung des Artikels zu einem einzigen Begriff verschmolzen seien.

    Die Beklagten hätten auch nicht substantiiert dargelegt, daß die Kennzeichnung "Achter Diek" zur Benennung von Hotels, Restaurants oder Gasthäusern üblich sei. Die Nichtbenutzungseinrede greife nicht durch. Die von der Eintragung abweichenden verschiedenen Benutzungsformen bei der Außenwerbung für das Hotel, auf Geschäftsbögen und in der Werbung hätten den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert, da herkunftshinweisend allein der Wortbestandteil "Achterdiek" sei.

    Die angegriffenen Bezeichnungen seien auch geeignet, mit der Klagemarke verwechselt zu werden. Für den Gesamteindruck der als Wort-/Bildzeichen eingetragenen Klagemarke sei der Wortbestandteil maßgebend. Den eingetragenen Bildbestandteilen komme demgegenüber - ebenso wie den beschreibenden Angaben in den Kennzeichen der Beklagten - als schmückendes Beiwerk keine eigenständige Kennzeichnungswirkung zu.

    Auch die von den Beklagten regelmäßig benutzte Form "Achtert Diek" komme der Klagemarke so nahe, daß der Verkehr zumindest klanglich keinen Unterschied wahrnehme.

    Die Beklagte zu 2 hafte neben der Beklagten zu 1 für die Markenrechtsverletzung, weil sie in deren Hotel das Restaurant als Pächterin betreibe und unter Verwendung der angegriffenen Kennzeichnungen die Vermietung von Hotelappartements vermittele.

  2. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

    1. Die auf § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 und 6 MarkenG gestützten Unterlassungsansprüche sind schon deshalb unbegründet, weil die Klagemarke nicht im Sinne des § 26 Abs. 3 MarkenG rechtserhaltend benutzt worden ist. Auf die Frage, ob das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, daß zwischen der Klagemarke und den angegriffenen Bezeichnungen eine Verwechslungsgefahr besteht, kommt es danach nicht mehr an.

      1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger für Ansprüche auf Unterlassung von Verletzungen der Klagemarke aus § 14 Abs. 5 i.V. mit Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aktivlegitimiert ist. Für ihn spricht insoweit die - von den Beklagten nicht widerlegte - Vermutung der Rechtsinhaberschaft, die durch seine Eintragung als Inhaber der Marke gemäß Verfügung vom 22. März 1996 begründet worden ist (§ 28 Abs. 1 MarkenG; vgl. BGH, Urt. v. 22.1.1998 - I ZR 113/95, GRUR 1998, 699, 701=WRP 1998, 600 - SAM).

      2. Der Inhaber einer eingetragenen Marke kann nach § 25 Abs. 1 MarkenG Ansprüche aus § 14 MarkenG nur geltend machen, wenn die Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Geltendmachung der Ansprüche gemäß § 26 MarkenG benutzt worden ist. Dies war hier - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - nicht der Fall.

        1. In der eingetragenen Form wurde die Klagemarke in dem maßgeblichen Zeitraum unstreitig nicht benutzt.

        2. Aber auch eine rechtserhaltende Benutzung in abgewandelter Form im Sinne des § 26 Abs. 3 MarkenG kann nicht angenommen werden. Die Benutzung des Zeichens "Achterdiek" in den Formen, in denen es der Kläger nach seinem Vorbringen benutzt hat (bei der Außenwerbung, auf Geschäftsbögen und in einem Prospekt), genügte dazu nicht, weil die dabei vorgenommenen Veränderungen gegenüber der eingetragenen Marke deren kennzeichnenden Charakter verändert haben (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 17.7.1997 - I ZR 228/94, GRUR 1997, 744, 746=WRP 1997, 1085 - ECCO I; Beschl. v. 9.7.1998 - I ZB 7/96, WRP 1998, 1083, 1084 - Karolus-Magnus; Beschl. v. 9.7.1998 - I ZB 37/96, WRP 1998, 1081, 1082 - Holtkamp; Beschl. v. 16.7.1998 - I ZB 5/96, WRP 1998, 1078, 1079 - JOHN LOBB).

          1. Der kennzeichnende Charakter der Klagemarke als Wort-/Bildzeichen wird entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wesentlich dadurch mitgeprägt, daß dieses - maßgeblich bestimmt durch die Schreibweise des Wortes "Achterdiek" in der Form eines Deichkörpers - stilisiert einen Deich mit anbrandenden Wellen und darüberstehender Sonne darstellt. Dies gilt hier um so mehr, als der Wortbestandteil "Achterdiek" für beachtliche Teile des Verkehrs in dem maßgeblichen Bereich "Beherbergung und Verpflegung von Gästen" beschreibend ist. Denn wie sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt, ist das der niederdeutschen Sprache - mit nur geringfügiger Abwandlung - entnommene Wort "Achterdiek" gleichbedeutend mit der Lagebezeichnung "Hinter dem Deich".

          2. In der Außenwerbung ist allein der Wortbestandteil "Achterdiek" der eingetragenen Marke - und dies auch nur in abweichender Schriftart - verwendet worden. Auch für die Kennzeichnung von Geschäftsbögen und Prospekten mit dem Zeichen "Achterdiek" ist aus der Klagemarke nur der Wortbestandteil - ebenfalls nur in abweichender Schriftart - übernommen worden. Gegenüber der Klagemarke fällt hier weiter auf, daß ein neuer Bildbestandteil - wohl ein stilisierter Strandkorb - und ein Slogan "Die Insel auf Juist" hinzugefügt wurden.

            Diesen in der Außenwerbung, auf Geschäftsbögen und auf Prospekten benutzten Zeichen "Achterdiek" fehlt demgemäß die besonders einprägsame Deichform, wodurch die Bildwirkung auffällig verändert wird. Derartige Abweichungen benutzter Zeichenformen von der eingetragenen Marke stehen der Annahme ihrer rechtserhaltenden Benutzung entgegen (vgl. dazu auch Fezer, Markenrecht, § 26 Rdn. 105 f.; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 26 Rdn. 92; Althammer/Ströbele, Markengesetz, 5. Aufl., § 26 Rdn. 60).

            Ebenso sprechen die auf den Geschäftsbögen und Prospekten vorgenommenen Zusätze zu dem Wort "Achterdiek" (Strandkorbmotiv und Slogan "Die Insel auf Juist") dagegen, die Benutzung des Zeichens in der dort verwendeten Form als rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke anzusehen, weil diese Zusätze den Gesamteindruck weiter wesentlich verändern (vgl. dazu auch Fezer aaO § 26 Rdn. 108; Ingerl/Rohnke aaO § 26 Rdn. 93; Althammer/Ströbele aaO § 26 Rdn. 61).

          3. Das in der sonstigen Werbung verwendete "Silencehotel"-Zeichen ist ebenfalls durch Abwandlungen, Weglassungen und Zusätze in seinem kennzeichnenden Charakter wesentlich verändert worden, auch wenn hier das Wort "Achterdiek" noch - mit etwas verändertem Schriftbild - in Deichkörperform geschrieben wird. Statt des streng eindimensional komponierten Bildes der Klagemarke weist dieses Zeichen eine räumliche Dimension auf. Während das über dem Wort "Achterdiek" geschriebene und durch eine Silhouette unterlegte Wort "Silencehotel" noch als im wesentlichen beschreibende Zutat angesehen werden kann, beeinflussen die weiteren Veränderungen maßgeblich den Gesamteindruck des Zeichens. So ist das unter das Wort "Achterdiek" mit verhältnismäßig großen Buchstaben gesetzte Wort "Juist" dadurch eine besonders auffallende Zutat, daß es durch einen gemeinsamen - jeweils für den Buchstaben "I" stehenden Balken - mit dem Wort "Achterdiek" verklammert ist. Statt der stilisierten Sonne ist "im Vordergrund" eine naturentsprechend gezeichnete Möwe im Flug abgebildet. Die bei diesem Zeichen aus der Gegenrichtung kommenden Wellen sind bildlich nicht mehr dem "Deichkörper", sondern dieser fliegenden Möwe zugeordnet.

            Bei dieser Sachlage genügt die Übereinstimmung der Zeichen in dem allenfalls schwach kennzeichnungskräftigen Wortbestandteil "Achterdiek" nicht, um die Annahme zu rechtfertigen, daß der kennzeichnende Charakter der Klagemarke in dieser Benutzungsform erhalten geblieben ist.

          4. Zu anderen Benutzungsformen, die in der Revisionsbegründung der Beklagten angeführt sind, im Verfahren aber nur mit Unterlagen aus der Zeit vor dem Fünf-Jahres-Zeitraum des § 25 Abs. 1 MarkenG belegt worden sind, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Der Kläger hat sich auf diese im Revisionsverfahren auch nicht mit einer Gegenrüge berufen.

    2. Aus dem Vorstehenden folgt, daß auch die Klageanträge, die - gestützt auf die Klagemarke - auf Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht gerichtet sind, keinen Erfolg haben können. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß sich der Kläger - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - hinsichtlich seiner Aktivlegitimation für Schadensersatz- und Auskunftsansprüche wegen Verletzung der Klagemarke für die Zeit vor seiner Eintragung im Register nicht auf die Vermutung gemäß § 28 Abs. 1 MarkenG berufen kann. Diese Vermutung wirkt nicht vor dem Zeitpunkt der Eintragung.

  3. Ansprüche, die dem Kläger etwa aus einem Unternehmenskennzeichen "Achterdiek" zustehen könnten (§§ 5, 15 MarkenG), waren nicht Gegenstand des Berufungsurteils und sind auch nicht Gegenstand der vorliegenden Entscheidung. Der Kläger hat seine Klageansprüche ausweislich der Klageschrift nur auf die für ihn eingetragene Marke gestützt. Sein Vorbringen in einem im Verlauf des Berufungsverfahrens eingereichten Schriftsatz läßt zwar darauf schließen, daß ihm gegenüber den Beklagten auch Ansprüche aus seiner Geschäftsbezeichnung "Achterdiek" zustehen könnten, falls dieses Zeichen auch überörtlich bekannt sein sollte. Diesem unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten in den Prozeß eingeführten Vorbringen läßt sich aber nicht mit der erforderlichen Klarheit entnehmen, daß die Klage, deren Streitgegenstand vom Kläger zu bestimmen war, auch auf Ansprüche aus der Geschäftsbezeichnung "Achterdiek", die andersartige Voraussetzungen als die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche aus Markenrecht haben, gestützt werden sollte (vgl. dazu auch Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 46 Rdn. 5).

  4. Auf die Revision der Beklagten war danach das Berufungsurteil aufzuheben. Die Berufung des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil war zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

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