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mitgeteilt von RA Boris Hoeller ( HOELLER Rechtsanwälte )

I ZR 46/97 Verkündet am 6. Oktober 1999

*
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle

Bundesgerichtshof

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

  • *

    Kläger


    Bevollmächtigter:
g e g e n
  • *

    Beklagter


Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. * und die Richter Prof. Dr. *, Dr. *, Dr. Bornkamm und Dr. *
für R E C H T erkannt
  1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Kammergerichts vom 5. Dezember 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
  2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin vom 30. April 1996 wird auch in diesem Umfang zurückgewiesen.
  3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  4. Von Rechts wegen

T a t b e s t a n d

Beide Parteien stellen Arzneimittel her und vertreiben sie. Die Klägerin vertreibt das Arzneimittel "L. " mit den Anwendungsgebieten Meteorismus und Vorbereitung diagnostischer Untersuchungen im Bauchbereich zur Reduzierung von Gasschatten (Sonographie, Röntgen). Die Beklagte vertreibt das apothekenpflichtige Arzneimittel "s. s. ", das gemäß dem Beipackzettel auf denselben Gebieten Anwendung findet und zusätzlich zur Vorbereitung von Gastroduodenoskopien und bei Spülmittelvergiftungen verwendet wird.

Bundesweit werden jährlich etwa 200.000 Vergiftungsfälle gezählt, von denen etwa 4.000 tödlich verlaufen. Die Hälfte der Anrufe, die bei Vergiftungsberatungsstellen eingehen, betreffen Kinder, insbesondere Kleinkinder. Bei den deutschen Beratungsstellen wurden im Jahr 1994 etwa 7.000 Anfragen wegen Spülmittelvergiftungen registriert; davon allein bei der B. Stelle 3.600.

Die Landesberatungsstelle für Vergiftungserscheinungen und Embryonaltoxikologie in B. (im folgenden: Landesberatungsstelle) entschloß sich im Jahr 1992 auf Anregung der Ärzteschaft, ein Forschungsprojekt mit der Bezeichnung "Pädiatrisches Notfallset" durchzuführen. Ziel dieses unter Leitung ihres ärztlichen Direktors stehenden Vorhabens war es zu prüfen, ob die Folgen eines Vergiftungsunfalls bei Kindern abgeschwächt werden könnten, wenn in Privathaushalten ein "Pädiatrisches Notfallset", ähnlich den in Kraftfahrzeugen für Verkehrsunfälle mitgeführten Verbandskästen, vorgehalten werde.

Nachdem die Landesberatungsstelle das Vorhaben mit ihrer Aufsichtsbehörde, der B. Senatsverwaltung für Gesundheit, abgestimmt hatte, wandte sie sich u.a. an die Beklagte, weil diese mit dem Arzneimittel "s. s. " ein geeignetes Arzneimittel herstellte. Die Beklagte erklärte sich bereit, das Vorhaben durch eine Arzneimittelspende zu unterstützen. Sie ließ der Landesberatungsstelle über eine Apotheke 25.000 Originalpackungen (mit Originalbeipackzetteln) zukommen. Entsprechend ihrem - der Beklagten bekannten - Konzept stellte die Landesberatungsstelle mit Hilfe der Arzneimittelspende der Beklagten eine sogenannte "Giftnotruf-Box" zusammen, die ein weiteres Arzneimittel, bestehend aus Aktivkohle und ein Informationsheft mit Verhaltensregeln für den Vergiftungsfall bei Säuglingen und Kleinkindern enthielt. Dieses verteilte sie mit Unterstützung der AOK B. , der Kassenärztlichen Vereinigung B. und des Berufsverbandes der Kinderärzte B. kostenlos an die B. Kinderärzte mit der Bitte um Mitarbeit bei der Ausgabe des Notfallsets und bei der Informationssammlung. Die Kinderärzte reichten die ihnen jeweils überlassenen 50 bis 60 "Giftnotruf-Boxen" bestimmungsgemäß kostenlos an die Eltern der von ihnen behandelten Kinder weiter.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe durch ihre Mitwirkung an dem Forschungsprojekt "Pädiatrisches Notfallset" gegen die durch § 43 AMG begründete Apothekenpflicht für Fertigarzneimittel verstoßen und dadurch wettbewerbswidrig gehandelt. Der Vertriebsweg für Hersteller und Großhändler von apothekenpflichtigen Arzneimitteln sei in § 47 AMG abschließend geregelt; eine Abgabe von Arzneimitteln an eine Behörde wie die Landesberatungsstelle sei dort nicht zugelassen.

Die Klägerin hat - soweit für die durch Urteil zu treffende Entscheidung noch von Bedeutung - beantragt, es der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, das Arzneimittel "s. s. "

  1. an Ärzte und/oder

  2. an die Landesberatungsstelle für Vergiftungserscheinungen und Embryonaltoxikologie in B. abzugeben und/oder abgeben zu lassen.

Die Beklagte hat gegenüber diesen Anträgen vorgebracht, sie habe das Arzneimittel lediglich gespendet und nicht im Einzelhandel in den Verkehr gebracht; zudem habe sie an eine Apotheke geliefert. Eine Apothekenpflicht bestehe nur für den Einzelhandel.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt,es zu unterlassen, das Arzneimittel "s. s. " - auch im Zusammenwirken mit Apotheken - kostenlos

  1. an Ärzte und/oder

  2. an die Landesberatungsstelle für Vergiftungserscheinungen und Embryonaltoxikologie in B. abzugeben und/oder abgeben zu lassen.

Hinsichtlich eines weitergehenden Unterlassungsantrags ist die Berufung zurückgewiesen worden (KG WRP 1997, 460).

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Die Revision der Klägerin hat der Senat nicht angenommen. Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit die Beklagte durch dieses beschwert ist, und insoweit zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden Urteils des Landgerichts.

  1. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Klägerin als Wettbewerberin nach § 1 UWG i.V. mit § 47 AMG von der Beklagten verlangen kann, es zu unterlassen, das Arzneimittel "s. s. " an Ärzte oder die Landesberatungsstelle kostenlos abzugeben oder abgeben zu lassen.

  2. Das Arzneimittel sei apothekenpflichtig und dürfe deshalb von der Beklagten als pharmazeutischem Unternehmen nur an die in § 47 AMG genannten Personen und Einrichtungen vertrieben werden. Die Apothekenpflichtigkeit eines Arzneimittels, von der diese Beschränkung des Vertriebsweges abhänge, bestehe unabhängig davon, ob die konkret abgegebenen Arzneimittel für den Einzelhandel im Sinne des § 43 Abs. 1 AMG bestimmt seien. Dies ergebe sich nicht nur daraus, daß auf der Zwischenhandelsstufe, die von § 47 AMG in erster Linie geregelt werde, in der Regel noch gar nicht abgesehen werden könne, welchem Zweck die Abgabe des Arzneimittels an den Letztverbraucher schließlich dienen werde. Auch aus den sonstigen Regelungen in § 47 AMG, nach denen dem pharmazeutischen Unternehmen ausnahmsweise die Direktabgabe von Fertigarzneimitteln erlaubt sei, werde deutlich, daß es für die Beurteilung der Frage, ob die Abgabe eines Arzneimittels im Sinne des § 47 Abs. 1 AMG "den Apotheken vorbehalten" sei, nicht darauf ankomme, ob im konkreten Fall eine Abgabe des Arzneimittels im Einzelhandel vorgesehen sei.

    Die Beklagte habe die Arzneimittel auch nicht an eine Apotheke abgegeben. Für eine Abgabe im Sinne des § 47 Abs. 1 AMG genüge es nicht, wenn das Arzneimittel einem anderen körperlich überlassen werde. Es müsse vielmehr zusätzlich die Befugnis übertragen werden, über das Arzneimittel zu verfügen, es also selbständig weiterzugeben. Würden - wie hier - an eine Apotheke apothekenpflichtige Arzneimittel mit der Weisung übergeben, diese (und sei es auch nach einer Qualitätskontrolle) an bestimmte Dritte weiterzuleiten, habe die Apotheke keine ausreichende eigene Verfügungsgewalt über die Arzneimittel erlangt.

    Die Arzneimittel seien an die Landesberatungsstelle abgegeben worden. Dies sei aber nach § 47 AMG nicht zulässig gewesen, weil die Landesberatungsstelle keine zentrale Beschaffungsstelle im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 5 AMG sei noch in entsprechener Anwendung des § 47 Abs. 1 Nr. 5 AMG wie eine solche behandelt werden dürfe. Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 AMG für eine Abgabe der Arzneimittel an die Kinderärzte als Muster hätten ebenfalls nicht vorgelegen.

    Die unentgeltliche Abgabe von Arzneimitteln sei von dem Apothekenvorbehalt des § 43 Abs. 1 AMG nicht ausgenommen und sei deshalb auch nicht unabhängig von den Voraussetzungen des § 47 AMG zulässig. Eine Abgabe liege - unabhängig von einer etwaigen Gegenleistung - bei jeder tatsächlichen Veränderung der Verfügungsgewalt vor. Nach § 47 Abs. 3 AMG sei die Abgabe von Mustern grundsätzlich verboten, obwohl sie den Ärzten kostenlos übergeben würden. Die zu § 43 Abs. 1 AMG vertretene Ansicht, daß nur eine Abgabe gegen Entgelt als Abgabe "im Einzelhandel" unter das Apothekenmonopol falle, könne auf den durch § 47 AMG geregelten Vertrieb des pharmazeutischen Unternehmens nicht übertragen werden, weil bei kostenlosen Abgaben von pharmazeutischen Unternehmern und Großhändlern eine "Marktverstopfung" zu Lasten der durch das Apothekenmonopol geschützten Apotheken drohe.

    Unerheblich sei, ob die Landesberatungsstelle oder die Kinderärzte zur Weitergabe der Arzneimittel an die Letztverbraucher berechtigt gewesen seien, da die Vorschrift des § 47 AMG, auch wenn sie eine Ausnahmeregelung zu § 43 AMG sei, in Teilbereichen wegen der besonderen Gefahren aus dem Zwischenhandel strenger sei.

    Eine Einschränkung des Begriffs des "Abgebens" im Sinne des § 47 Abs. 1 AMG auf lediglich gewerbsmäßige "Abgaben" sei mit Rücksicht auf den Zweck der Vorschrift, die Apotheken zu schützen, nicht gerechtfertigt.

    Die Beklagte habe durch ihren Verstoß gegen § 47 Abs. 1 AMG wettbewerbswidrig gehandelt, auch wenn besondere Umstände gegen die Annahme eines sittenwidrigen Verhaltens im Sinne des § 1 UWG sprächen.

  3. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Es kann dabei offenbleiben, ob die Beklagte durch die Art und Weise, wie sie Originalpackungen ihres apothekenpflichtigen Arzneimittels "s. s. " für das Forschungsprojekt "Pädiatrisches Notfallset" zur Verfügung gestellt hat, gegen §§ 43, 47 AMG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.10.1994, BGBl. I S. 3018, geändert durch das Achte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 7. September 1998, BGBl. I S. 2649) verstoßen hat, da ihr mit der Klage angegriffenes Verhalten unter den gegebenen Umständen jedenfalls nicht sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist.

    1. Ein Verstoß gegen Vorschriften, die - wie diejenigen des Arzneimittelgesetzes - dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung dienen, ist allerdings regelmäßig zugleich als Verstoß gegen § 1 UWG zu werten. Die Verletzung derartiger wertbezogener Normen indiziert grundsätzlich die Unlauterkeit, ohne daß es der Feststellung weiterer Unlauterkeitsumstände bedarf (vgl. BGH, Urt. v. 3.12.1998 - I ZR 119/96, WRP 1999, 643, 646 f. - Hormonpräparate, m.w.N., zum Abdruck in BGHZ 140, 134 vorgesehen). Verstöße gegen wertbezogene Normen sind jedoch nicht zwingend auch wettbewerbswidrig (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 2.3.1973 - I ZR 16/72, GRUR 1974, 402, 404 = WRP 1973, 330 - Service-Set; Urt. v. 17.7.1997 - I ZR 58/95, GRUR 1998, 407, 411 f. = WRP 1998, 306 - TIAPRIDAL). Es liegt zwar auch in der Zielsetzung des § 1 UWG zu verhindern, daß die Lauterkeit des Wettbewerbs dadurch beeinträchtigt wird, daß Wettbewerb unter Mißachtung gewichtiger Interessen der Allgemeinheit betrieben wird. Das Verständnis der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG ist aber entscheidend am Schutzzweck dieser Vorschrift auszurichten (vgl. BGH WRP 1999, 643, 647 - Hormonpräparate). Auch bei einem Verstoß gegen wertbezogene Normen können die besonderen Umstände des Einzelfalls Anlaß geben, in die Prüfung des Gesamtverhaltens des Wettbewerbers nach seinem konkreten Anlaß, seinem Zweck und den eingesetzten Mitteln, seinen Begleitumständen und Auswirkungen einzutreten und bei Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 1 UWG eine sittenwidrige Beeinträchtigung der Lauterkeit des Wettbewerbs zu verneinen (BGH WRP 1999, 643, 647 - Hormonpräparate). So liegt der Fall hier.

    2. Das Berufungsgericht hat die Umstände selbst gesehen und bei seiner Beurteilung mit abgewogen, die entscheidend dagegen sprechen, das Verhalten der Beklagten, so wie es mit dem Klageantrag angegriffen ist, als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG zu behandeln.

    3. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß sich die Beklagte mit ihrer Arzneimittelspende an einem zeitlich und örtlich begrenzten Forschungsprojekt beteiligt hat, das dem besseren Schutz von Kindern gegen die nicht selten tödlichen Folgen von Vergiftungen dienen sollte. Dieses Projekt war fachlich und sachlich vorbereitet und bezog bei der Durchführung zum Schutz der Gesundheit der Letztverbraucher die Sachkunde des Apothekers und des Arztes ein. Die Ausstattung des Notfallsets mit dem Arzneimittel der Beklagten, das auch die Folgen der - bei kleineren Kindern besonders häufigen - Spülmittelvergiftungen lindern kann, war für den angestrebten vorbeugenden Schutz geeignet und notwendig. Die Abgabe des Notfallsets war in hohem Maß geeignet, die Eltern kleiner Kinder auf Vergiftungsgefahren hinzuweisen und dauerhaft mit den Hilfsangeboten der Landesberatungsstelle und der Giftnotrufzentrale bekannt zu machen. Die Durchführung des Forschungsprojekts, an dem sich die Beklagte durch ihre Arzneimittelspende auf behördliche Anfrage hin beteiligt hat, lag maßgeblich in den Händen der Landesberatungsstelle als einer Behörde im Dienstbereich der Senatsverwaltung für Gesundheit, die für die Aufsicht im Arzneimittelwesen zuständig ist.

    4. Trotz dieser Umstände hat das Berufungsgericht das beanstandete Verhalten als wettbewerbswidrig angesehen. Darin kann ihm nicht zugestimmt werden.

    5. Das Berufungsgericht hat bei seiner Abwägung maßgeblich auf den Unrechtsgehalt einer Verletzung der Vorschriften der §§ 43, 47 AMG, gegen die das angegriffene Verhalten seiner Ansicht nach verstoßen hat, abgestellt. Im Ausgangspunkt zutreffend hat es dazu ausgeführt, das durch § 43 AMG begründete Apothekenmonopol habe den Zweck, die Existenzgrundlage der Apotheken als Einrichtungen des Gesundheitswesens zu sichern, um eine sachverständige Beratung durch den Apotheker hinsichtlich der Auswahl des Arzneimittels und seiner Anwendung zu ermöglichen, einem Heilmittelmißbrauch entgegenzuwirken und eine sachgemäße Prüfung der abzugebenden Arzneimittel zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 9, 73, 79 ff.; 17, 232, 238 ff.; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 43 AMG Anm. 1b). Weiter hat das Berufungsgericht dargelegt, den pharmazeutischen Unternehmen sei die Direktabgabe von apothekenpflichtigen Arzneimitteln nur in den in § 47 AMG genannten Ausnahmefällen gestattet. Das Gesetz gehe, wie sich auch aus § 47 Abs. 3 AMG ergebe, von einem grundsätzlichen Verbot der kostenlosen Abgabe von Arzneimittelmustern aus. Zweck dieser Regelung sei die Sicherung der wirtschaftlichen Grundlage der Apotheken und damit mittelbar der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Demgegenüber bestehe für pharmazeutische Unternehmen ein hoher Anreiz, Arzneimittelspenden als Werbemittel einzusetzen, um damit den späteren Umsatz zu steigern und das eigene Ansehen zu fördern, und dementsprechend eine nicht geringe Nachahmungsgefahr. Eine übermäßige Abgabe von Arzneimitteln könne aber entgegen dem Zweck des Apothekenmonopols zu einer nachhaltigen "Marktverstopfung" zu Lasten der Apotheken führen.

      Bei dieser auf allgemeine Bedenken gegen einen übermäßigen Einsatz von Arzneimittelspenden zu Werbezwecken abstellenden Beurteilung hat das Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt, daß - wie hier - Anlaß bestehen kann, die Wettbewerbswidrigkeit eines Verhaltens auch dann, wenn es zugleich gegen eine wertbezogene Norm verstößt, nach seinem Gesamtcharakter entsprechend den Umständen des konkreten Falles zu beurteilen. Dies schließt es im vorliegenden Fall aus, bei der - unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks des Wettbewerbsrechts vorzunehmenden - wettbewerbsrechtlichen Beurteilung entscheidend auf den abstrakten Schutzzweck der durch das beanstandete Verhalten möglicherweise verletzten §§ 43, 47 AMG abzustellen, weil dieser nach den hier gegebenen Umständen tatsächlich nicht oder kaum berührt ist. Die Beteiligung der Beklagten an dem Forschungsprojekt "Pädiatrisches Notfallset" stand nämlich - wie sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt - nicht in Widerspruch zu dem Hauptziel des Arzneimittelgesetzes, der Gesundheit der Bevölkerung zu dienen, sondern war vielmehr geeignet, zu einer besseren Gesundheitsvorsorge beizutragen. Wie das Berufungsgericht selbst ausgeführt hat, war das Projekt, an dem sich die Beklagte beteiligt hat, durchaus erfolgversprechend, wenn auch wegen der vorbeugenden Abgabe von Arzneimitteln unvermeidlich auch Risiken einer Fehlbehandlung bestanden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß das Forschungsprojekt "Pädiatrisches Notfallset" wegen der kostenlosen Abgabe der "Giftnotruf-Box" und der darin enthaltenen Arzneimittel geeignet war, die Apotheken im Raum B. wirtschaftlich zu beeinträchtigen, sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich.

      Der Umfang der Arzneimittelspende mit 25.000 Packungen kann hier zudem schon deshalb nicht als ein die Wettbewerbswidrigkeit begründender Umstand berücksichtigt werden, weil er nicht unangemessen war. Das Berufungsgericht hat selbst angenommen, daß der Zweck des Forschungsvorhabens den Einsatz des Arzneimittels im einem empirisch repräsentativen Rahmen notwendig gemacht habe und die Begrenzung auf das danach gebotene Mindestmaß im konkreten Fall nicht erkennbar überschritten worden sei. Im übrigen ist der Klageantrag nach seinem Wortlaut, aber auch nach seiner Begründung, schlechthin gegen jede - unabhängig von der Menge als rechtswidrig angesehene - Abgabe des Arzneimittels "s. s. " an Ärzte oder die Landesberatungsstelle gerichtet, nicht lediglich gegen eine Abgabe in großen Mengen.

      Die Wettbewerbswidrigkeit des angegriffenen Verhaltens kann, abweichend von der Beurteilung des Berufungsgerichts, auch nicht mit der Art und Weise der Beteiligung der Beklagten an dem Forschungsprojekt begründet werden. Der Umstand, daß sich die Beklagte in dem Anschreiben an die Kinderärzte, mit dem diese zur Mitarbeit an dem Projekt aufgefordert wurden, als Mitträgerin der Studie benennen ließ, ist im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb unerheblich, weil der Klageantrag darauf nicht abstellt. Die Beklagte war zudem nicht gehalten, die mit der Abgabe des Notfallsets für sie verbundene werbliche Wirkung auf das allergeringste Maß zu beschränken. Es liegt nicht im Rahmen des gesundheitspolitischen Schutzzwecks der hier betroffenen §§ 43, 47 AMG a.F. (vgl. § 1 AMG), die Imagewerbung pharmazeutischer Unternehmen zu begrenzen. Ebensowenig kann die Wettbewerbswidrigkeit der Arzneimittelspende daraus hergeleitet werden, daß es der Beklagten auch möglich gewesen wäre, das Forschungsvorhaben - mit geringerer Werbewirkung - durch eine Geldspende zu unterstützen. Dem steht im übrigen auch die Feststellung des Berufungsgerichts entgegen, daß die Ausstattung des Notfallsets mit dem Arzneimittel der Beklagten für den vorbeugenden Schutz geeignet und notwendig war.

      Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht auch zu Unrecht die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten mit der Gefahr der Nachahmung durch Wettbewerber begründet. Eine Nachahmungsgefahr könnte als ein für die Wettbewerbswidrigkeit sprechender Umstand nur berücksichtigt werden, wenn die konkret beanstandete Beteiligung der Beklagten an dem Forschungsprojekt "Pädiatrisches Notfallset" wettbewerbswidrig wäre. Für ähnliche Verhaltensweisen von Wettbewerbern, die nur aufgrund hinzutretender Umstände wettbewerbswidrig sind, kann ein Unternehmen wettbewerbsrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden.

      Das Berufungsgericht hat überdies bei seiner Beurteilung nicht ausreichend berücksichtigt, daß sich die Beklagte, wenn sie nicht ohnehin rechtmäßig gehandelt hat, unter den gegebenen Umständen darauf verlassen konnte, daß die beteiligten Behörden, darunter die für das Arzneimittelwesen zuständige Aufsichtsbehörde, die Rechtslage geprüft hatten.

  4. Auf die Revision der Beklagten war danach das Berufungsurteil im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts war auch in diesem Umfang zurückzuweisen.

  5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

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