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Rechtsprechung

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mitgeteilt von RA Frank Feser (HOELLER Rechtsanwälte)

Leitsätze von RA Feser

Ist vereinbart worden, dass der Mobilfunkkunde auch die Gespräche zu zahlen hat, die durch befugte oder unbefugte Benutzung des Anschlusses durch Dritte entstanden sind, wenn und soweit er die Nutzung zu vertreten hat, so sind auch auf Telefonsexgespräche entfallende Verbindungsentgelte zu zahlen.

Der Mobilfunkkunde muß im Prozess darlegen, dass er die missbräuchliche Nutzung nicht zu vertreten hat.

Selbst wenn Telefonsexverträge zwischen dem Telefonsexanbieter und dem Anrufer sittenwidrig sein sollten, wäre jedenfalls das Verhältnis zwischen Mobilfunkanbieter und Mobilfunkkunde hiervon nicht betroffen. Die bloße Vermittlung solcher Gespräche durch Mobilfunkanbieter ist wenigstens dann nicht sittenwidrig, wenn sie selbst keine vertraglichen Beziehungen zu den Telefonsexanbietern unterhalten.

Mobilfunkanbieter handeln in aller Regel nicht subjektiv sittenwidrig, wenn sie Telefonsexgespräche vermitteln.

16 C 180/00 Verkündet am: 21.11.2000

ohne Hinzuziehung eines U.d.G.

AMTSGERICHT HOMBURG

URTEIL

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit


  • Klägerin,

g e g e n

  • Beklagte

hat das Amtsgericht in Homburg auf die mündliche Verhandlung vom 21.11.2000 durch den Direktor des Amtsgerichts *
für Recht erkannt:
  1. Unter Abweisung der Klage im übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 3.214,89 DM nebst 6,75 % Zinsen seit dem 24. Dezember 1999 zu zahlen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,-- DM vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist Betreiberin des Mobilfunknetzes *. Aufgrund entsprechenden Auftrages stellte die Klägerin der Beklagten einen Funktelefonanschluß zur Verfügung und händigte der Beklagten die zur Nutzung dieses Anschlusses notwendige Telekarte aus.

Bei dem Anschluß handelt es sich um das Autotelefon eines der Firmenfahrzeuge der Beklagten. Dieser Anschluß wurde von dem ehemaligen Mitarbeiter * genutzt.

Nachdem die Beklagte die monatlich zu zahlenden Grundgebühren nicht mehr entrichtete, sperrte die Klägerin den Anschluß und erteilte unter dem 25. November 1999 Schlußrechnung über 3.228,37 DM.

Die Beklagte verweigerte die Zahlung, woraufhin die Klägerin ein Inkassoinstitut mit der Beitreibung der Forderung beauftragte, wodurch Kosten i.H.v. 290,- DM entstanden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.214,89 DM nebst 6,75 % Zinsen seit dem 24.12.1999 bis zum 21.11.1999, 7,25 % Zinsen seit dem 22.11.1999 sowie 290,-- DM Inkassokosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, daß es sich bei den streitgegenständlichen Telefongesprächen über die 0190- Service-Nummer ausschließlich um Telefonsexgespräche gehandelt habe. Sie ist der Ansicht, daß insoweit der Anspruch der Klägerin wegen Sittenwidrigkeit entfalle.

Wegen des Parteivorbringens im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage ist im wesentlichen begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung des noch offenstehenden Betrages i.H.v. 3.214,89 DM aus ihrer Schlußrechnung vom 25. November 1999 verlangen. Rechtsgrundlage ist § 611 BGB.

Zwischen den Parteien bestand ein wirksamer Dienstleistungsvertrag, der die Beklagte dazu berechtigte, am Mobilfunksystem der Klägerin teilzunehmen.

Die durch diese Teilnahme entstandenen Kosten sind von der Beklagten zu zahlen. Dabei ist unerheblich ob die Beklagte selbst oder ein Dritter - hier ihr Mitarbeiter * die streitgegenständlichen Telefongespräche geführt hat.

Denn nach Ziff. * der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die unstreitig Vertragsinhalt wurden, hat die Beklagte auch die Gespräche zu zahlen, die durch befugte oder unbefugte Benutzung ihres Anschlusses durch Dritte entstanden sind, wenn und soweit sie die Nutzung zu vertreten hat. Für eine nicht zu vertretende unbefugte Nutzung hat die Beklagte nichts vorgetragen; Anhaltspunkte hierfür sind auch nicht ersichtlich.

Es kann auch dahinstehen, ob es sich bei sämtlichen Gesprächen über die 0190-Service-Nummer um Telefonsexgespräche gehandelt hat. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ist der Telekommunikationsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht gemäß den §§ 134, 138 I BGB nichtig.

Eine Nichtigkeit gemäß § 134 BGB liegt nicht vor. Ein Verstoß gegen die als Verbotsgesetz i.S. von § 134 BGB anerkannte Vorschrift über die verbotene Werbung für Prostitution gemäß § 120 I Nr. 2 OWiG kommt nicht in Betracht. Danach handelt ordnungswidrig, wer u.a. durch Verbreiten von Tonträgern oder Datenspeichern Gelegenheit zu entgeltlichen sexuellen Handlungen anbietet. Nach richtiger Ansicht des BGH kann die lediglich akustische Vermittlung sexueller Reize nicht unter den Begriff der sexuellen Handlung i.S. der §§ 119, 120 OWiG eingeordnet werden, weil hierunter nur solche Handlungen zu verstehen sind, bei denen der eigene oder ein fremder Körper eingesetzt wird (BGH NJW 1998, 2895).

Auch ist der Telekommunikationsvertrag nicht sittenwidrig und somit nicht nichtig i.S.v § 138 I BGB.

Dahinstehen kann, ob der Telefonsexvertrag, der zwischen dem Anrufer und dem Telefonsexanbieter zustande kommt, sittenwidrig i.S.d. § 138 I BGB ist, da sich diese Sittenwidrigkeit jedenfalls nicht auf den Telekommunikationsvertrag erstreckt.

Für die Sittenwidrigkejt des Telefonsexvertrages wird im wesentlichen angeführt, daß beim Telefonsex die jeweilige Mitarbeiterin des Anbieters als Person zum Objekt herabgewürdigt und zugleich der Intimbereich zur Ware gemacht werde (vgl. BGH NJW 1998, 2895 ff; OLG Düsseldorf NJW-RR 1991, 264 f; Erman-Brox, BGB, 9. Aufl., § 138 Rn. 85; MünchKomm-Mayer-Maly, BGB, 3. Aufl., § 138 Rn. 52).

Die Gegenansicht weist hingegen darauf hin, daß - anders als bei der Prostitution oder bei einer Peep-Show - beim Telefonsex die Anbieterin dem Anrufer nicht ausgeliefert sei, sondern ihr noch ausreichend Fluchträume verblieben. Zudem werde die Anbieterin durch das Fehlen eines unmittelbaren persönlichen Kontakts nicht zur bloßen Ware (vgl. OLG Hamm 1995, 2797; OLG Stuttgart NJW 1989, 2899; Jauernig-Jauernig, BGB, 8. Aufl., § 138 Rn. 17; Palandt-Heinrichs BGB, 59. Aufl., § 138 Rn. 52).

Dieser Meinungsstreit kann offen bleiben, da sich die Nichtigkeit zumindest nicht auf den Telekommunikationsvertrag zwischen der Beklagten und der Klägerin erstreckt. Eine mögliche Sittenwidrigkeit schlägt nicht auf die Entgeltansprüche der Telefongesellschaft durch.

Zum einen fehlt es bereits an der objektiven Sittenwidrigkeit des Telekommunikationsvertrags. Zwar hat ein Teil der Rechtsprechung (OLG Stuttgart NJW-RR 1999, 1430; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1431) die Sittenwidrigkeit mit dem Argurnent bejaht, daß die Telefongesellschaften ein bestimmtes Sexualverhalten potentieller Kunden in verwerflicher Weise kommerziell ausnutzen würden. Hierfür werden im wesentlichen 2 Argumente angeführt. Einmal sei zu berücksichtigen, daß der Kunde mit dem Anbieter des Gesprächs nicht unmittelbar in Kontakt trete. Die Kontaktaufnahme geschehe vielmehr dadurch, daß der Kunde die von der Telefongesellschaft zur Verfügung gestellte Servicenummer anwähle. Dadurch werde eine Ausbeutung des Sexualverhaltens ermöglicht, wie es ohne ein solches "zentrales" bundesweites Angebot kaum denkbar wäre. Zum andern werde die Telefongeselischaft als Inkassostelle für den Telefonsexanbieter tätig. Der Kunde zahle den von ihm in Anspruch genommenen Service nicht unmittelbar an den Anbieter, sondern entrichte verhältnismäßig hohe Telefongebühren an die Telefongesellschaft, die dann einen Teil dieser Gebühren gemäß der vertraglichen Vereinbarung mit dem Anbieter an diesen abführe.

Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden.

Die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts erstreckt sich nicht unbeschränkt auf alle damit in engerem und weiteren Zusammenhang stehenden Rechtsbeziehungen. Nicht jede Handlung, die die Ausführung einer sittenwidrigen Tätigkeit objektiv fördert, ist deswegen gleich selbst sittenwidrig. Vielmehr muß die Förderung ihrer Art nach in einem solch engen Zusammenhang mit der sittenwidrigen Tätigkeit stehen, daß sie von deren Sittenwidrigkeit umfaßt wird (BGH NJW-RR 1988, 1379; NJW-RR 1987, 999).

So sind beispielsweise nach ständiger Rechtsprechung Pacht-, Kauf- und Gesellschaftsverträge über Bordelle sowie Mietverträge mit Prostituierten als wirksam anzusehen, solange das Entgelt nicht in einem auffälligen Mißverhältnis zum Wert der Leistung steht (vgl. BGHZ 63, 365; NJW-RR 1988, 1379). In diesen Fällen handelt es sich um bloße untergeordnete Hilfsgeschäfte, die rechtlich neutral sind und die lediglich im Zusammenhang mit sittenwidrigem Tun stehen.

Dasselbe muß im vorliegenden Fall gelten. Das Verhältnis der Klägerin zu ihren Telefonkunden beschränkt sich auf die Vermittlung von Gesprächen. Die Tätigkeit der Klägerin, einen Anruf freizuschalten und entsprechende Gespräche durchzuleiten, ist als rechtlich neutral zu bewerten (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 2000, 930; LG Bielefeld NJW-RR 1999, 1513; Vospel-Rüter, K und R 1999, 505 ff.).

Dem steht auch nicht das Telefonkartenurteil des BGH vom 9.6.1998 (BGH NJW 1998, 2895) entgegen, da es dort um einen Vertrag ging, der darauf gerichtet war, durch Vermarktung und den Vertrieb von Telefonkarten Telefonsex kommerziell zu fördern. Das dort vorhandene subjektive Element fehlt bei der Klägerin jedoch vollkommen. Die Aktivität der Telefongesellschaft beschränkt sich lediglich auf das Zurverfügungstellen von Leitungssystemen.

Zudem ist zu berücksichtigen, daß bei Anwendung des § 138 I BGB gerade der benachteiligt würde, der durch die Norm geschützt werden soll. Die Sittenwidrigkeit würde gerade dem Telefonkunden zu Gute kommen, der von seiner Zahlungspflicht befreit würde, während die zu schützende Dienstleistende einerseits die Leistung erbracht hätte und andererseits keine Gegenleistung dafür erhielte, also doppelt benachteiligt wäre (Eckert, MMR 2000, 222).

Auch fehlt es an dem subjektiven Moment einer Sittenwidrigkeit.

Da hier das Verhalten allenfalls gegenüber der Allgemeinheit oder Dritten, nicht aber gegenüber dem Vertragspartner sittenwidrig ist, ist § 138 BGB nur dann anwendbar, wenn alle Beteiligten subjektiv sittenwidrig handeln (vgl. BGH NJW 1990, 568). Hierfür genügt, daß sie die Tatumstände kennen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt, oder daß sie sich der Kenntnis dieser Umstände grob fahrlässig verschließen.

Diese Kenntnis wird von Teilen der Rechtsprechung bejaht (OLG Stuttgart NJW-RR 1999, 1430; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1431). Es soll insoweit genügen, daß die Telefongesellschaften Kenntnis davon haben, daß hinter 0190-Service-Nummern auch Telefonsexanbieter stünden. Sowohl in der Presse wie auch in den privaten Fernsehprogrammen werde für solche Nummern und ihre Inhalte tagtäglich Werbung betrieben. Wenn die Telefongesellschaften nicht wüßten, womit sie ihr Geschäft machen, dann läge zumindest bewußt oder grob fahrlässiges Verschließen vor der entsprechenden Erkenntnis vor.

Dies überzeugt jedoch nicht.

Die bloße Kenntnis des unsittlichen Beweggrundes des anderen Teils genügt in der Regel nicht. Hinzu kommen muß die Billigung, Förderung oder Ausnutzung der sittenwidrigen Absicht des anderen (OLG Koblenz a.a.O.; LG Bielefeld a.a.0.; Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 138 Rn. 40). Vorliegend ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin weder selbst Gespräche mit dem Inhalt von Telefonsex anbietet noch dies billigt oder fördert.

Ihre Tätigkeit erstreckt sich rein auf die rechtlich neutrale Vermittlung und Übertragung von Gesprächen. Zudem hat sie keine Kenntnis, hinter welchen der unzähligen 0190-Anbietern sich ein Telefonsexanbieter verbirgt.

Vorliegend kommt hinzu, daß es um Ansprüche eines Mobilfunknetzbetreibers geht. Dieser hat im Gegensatz zum Festnetzbetreiber keine Verträge mit Telefonsexanbietern im Rahmen der 0190-Rufnummern abgeschlossen. Er stellt lediglich die Verbindung über sein Mobilfunknetz zum Festnetz her. Er wird auch mangels Vertrag nicht als Inkassostelle für den Telefonsexanbieter tätig, sondern lediglich als Inkassostelle für den entsprechenden Festnetzanbieter. Die Klägerin ist deshalb nicht Vertragspartner des Telefonsexanbieters. Aus diesem Grund ist es ihr auch nicht möglich und zumutbar die jeweiligen Gesprächsinhalte zu recherchieren und bei der Vielzahl von Anbietern herauszufinden, welcher Gesprächsinhalt dem Kunden angeboten wird (AG Witten MMR 2000, 221 f.).

Die Tätigkeit der Klägerin ist hier vielmehr mit der eines Transportdienstes oder der Post vergleichbar. So wie die Post Briefe transportiert, transportiert der Mobilfunknetzbetreiber Sprache. Der Inhalt von Briefen ist der Post ebenso wenig zuzurechnen, wie dem Mobilfunknetzbetreiber der Inhalt der Telekommunikation.

Würde man sämtlichen Medien, die sittenwidrige Inhalte transportieren, ihren Vergütungsanspruch aberkennen würde dies letztlich zu einer Inhaltskontrolle sämtlicher Medien führen und die ungeprüfte Weitergabe von Informationen unmöglich machen. Dies berührt dann aber verfassungswidrig den Kernbereich der Art. 2, 5 und 10 GG (ebenso Eckert a.a.O., Vospel-Rüter a.a.O.).

Ist der zwischen den Parteien bestehende Dienstleistungsvertrag somit wirksam, so ist die Beklagte zur Zahlung der der Höhe nach unstreitigen Telefonkosten verpflichtet.

Der zuerkannte Zinsanspruch der Klägerin rechtfertigt sich aus den §§ 284, 286 BGB.

Verzugseintritt vor dem 24. Dezember 1999 und ein Zinsschaden über 6,75 % hinaus sind nicht dargelegt, so daß insoweit die Klage abzuweisen war.

Die geltend gemachten Inkassokosten können der Beklagten ebenfalls nicht als Verzugsschaden angelastet werden. Voraussetzung ihrer Erstattungsfähigkeit gemäß § 286 BGB ist nämlich, daß der Gläubiger davon ausgehen darf, daß die Forderung auch ohne Einschaltung von Rechtsanwalt und Gericht beitreibbar ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Schuldner die Forderung nicht bestreitet und keine dem Gläubiger erkennbare Zahlungsunwilligkeit oder Unfähigkeit vorliegt, insbesondere der Schuldner noch nicht ausdrücklich die Leistung verweigert hat.

Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Hier hat die Beklagte bereits vor Einschaltung des Inkassobüros mit Anwaltsschreiben vom 14. Dezember 1999 mitgeteilt, daß sie zur Zahlung nicht bereit ist.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO.

Unterschrift Saarland-WAPPEN NACHTRAGEN